Zwischenruf in der Debatte über den israelischen Militäreinsatz gegen den Gaza-Hilfskonvoi

Die militärische Antwort Israels auf die Protestaktion des „Free Gaza Movement“ hat weltweit spontane Betroffenheit und Empörung ausgelöst. Jedes zivile Opfer einer Militäraktion ist – unabhängig von der völkerrechtlichen Bewertung des Vorgehens – ein Opfer zu viel. Der tatsächliche Ablauf am 31. Mai wird jedoch von den Beteiligten sehr unterschiedlich dargestellt und bewertet. Die Kontroverse der letzten Tage hat auch antisemitische Ressentiments an die Oberfläche gespült. Die jüdischen Gemeinden berichten von vermehrten Morddrohungen. Die weithin von Vorverurteilungen geprägte Debatte erfordert einen Zwischenruf, einen Aufruf zu Objektivität und Besonnenheit.

Nötig ist jetzt eine differenzierte Bewertung, die zwischen berechtigter Kritik und pauschaler Verurteilung unterscheidet und die tragischen Ereignisse vom 31. Mai in ihren politischen Zusammenhang stellt. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.

1. Was passiert ist. Weiterlesen

Ironie on // Wer hat uns verraten? Die Piraten! Wer war mit dabei? Die Linkspartei! // Ironie off


Grafik: tagesschau.de

Rot-Grün. Der politische Wechsel war in NRW zum Greifen nah. Ein Sitz fehlte uns bei der Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses. Das ist ärgerlich. Sind es doch letztlich die Stimmen für Linkspartei und Piratenpartei, die Rüttgers im schlimmsten Fall den Machterhalt sichern. Die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit ist zumindest gebrochen. Doch die politische Erneuerung wird es in NRW nun schwer geben – doch kein Weg ist uns zu weit oder holprig. Deshalb sondieren wir in dieser Woche ein rot-grün-rotes Bündnis. Doch falls es nicht klappt, und sind wir mal ehrlich, liebe PiratInnen und Linke: euch und euren Anhängern wäre eine rot-grüne Mehrheit doch auch lieber als eine große Koalition, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz, oder?

Doch darf man das überhaupt sagen oder begibt man sich damit schon auf das Feld der „Wählerbeschimpfung“, wenn man sagt, dass es Stimmen für Linke und Piraten vermasselt haben? Am Wahlabend entfachte ein Tweet dazu eine Debatte, die ich nicht auf 140 Zeichen pro Argument begrenzen möchte.

Das Corpus Delicti:

mehr als verdoppelt. SUPER, zittern fuer rot-gruen. Wenn es nicht klappt haben es linken- und piratenwaehler vermasselt.

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Getroffene Hunde bellen

In den vergangenen Tagen tauchen in unterschiedlichen Zeitungen, Käseblättern und Blogs sich wiederholende haltlose Vorwürfe auf. Wider besseren Wissens verweisen die Autor_innen auf einen Beitrag von mir in dem von Angelo Leopardi herausgegebenen „Der pädosexuelle Komplex“ (1988) und auf so genannte „Pädophile Irrungen und Wirrungen der Grünen“. Nach dem Prinzip getroffene Hunde bellen dokumentieren sie leider keine Fakten sondern die politische Skrupellosigkeit der CSU und rechts-religiöser Ideologen, nicht aber Grüne Beschlüsse und Positionen. Das ist nicht nur ein schlechter Stil, sondern der Ernsthaftigkeit des Problems des sexuellen Missbrauchs nicht angemessen. Weiterlesen

Mord verjährt nicht und Nazi-Verbrechen gehören verurteilt

Der ehemalige SS-Mann Heinrich Boere wurde am 23. März vom Landgericht Aachen zu lebenslanger Haft wegen Mordes in drei Fällen verurteilt. Damit geht ein Kapitel in der deutschen Justizgeschichte zu Ende, das mit dem Wort „schändlich” nicht zu hart gekennzeichnet ist. Mehr als 50 Jahre lang lebte der heute 88-jährige Boere unbehelligt in Deutschland, in aller Offenheit und unter seinem echten Namen, obwohl er in den Niederlanden wegen seiner Taten schon verurteilt worden war und nie bestritt, dass er die ihm zur Last gelegten Morde auch tatsächlich begangen hat.

Der Vollstreckung seiner Strafe in Holland hatte er sich durch Flucht entzogen; in Deutschland musste er die Justiz bis in allerjüngste Zeit nicht fürchten. Die Auslieferung an die Niederlande wurde noch zu Beginn der 1980er-Jahre mit Verweis auf einen Erlass Adolf Hitlers verweigert, dem zufolge Freiwillige der Waffen-SS  die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten. Die Vollstreckung der Strafe in Deutschland wurde abgelehnt, weil das niederländische Verfahren nicht den deutschen Rechtsstaatsvorstellungen genügte, und ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt, weil ein Oberstaatsanwalt in Dortmund die Morde als Kriegsrepressalien für „zulässig und rechtmäßig” erklärte. Das jetzt ergangene Urteil ist außerordentlich klar und mehr als 65 Jahre nach den Taten für alle Angehörigen der Opfer ein wichtiges Zeichen. Es geht ihnen wohl weniger darum, einen 88-Jährigen im Gefängnis zu sehen. Wichtig ist aber, dass ein deutsches Gericht endlich dessen Morde als Unrecht benannt hat.

Keiner sollte nun aufschreien, weil aus dem Urteil nicht sofort die lebenslange Haft vollstreckt wird. Wer die Beachtung der Menschenrechte einfordert, der muss sie auch jenen zugestehen, die sie verletzt haben. Und ein normaler Strafvollzug ist für einen alten und kranken Mann nun einmal kaum zumutbar.

Auch dass Heinrich Boere nun Rechtsmittel einlegt ist nichts Schlimmes. Er ergreift die ihm zustehenden Mittel des Rechtsstaates. Rechtsstaatlichkeit – das ist das Gegenteil der Barbarei, der Heinrich Boere und seine SS-Kumpanen während der Naziherrschaft gefrönt haben und die viel zu lange von der deutschen Justiz nicht bestraft wurde.

Aber die Barbarei hat nach mehr als 65 Jahren am 23. März 2010 mal wieder eine Niederlage erlitten. Das macht Mut und gibt Hoffnung!

Die Diskussion um Frau Steinbach muss jetzt einmal ein Ende haben!

Die Diskussion muss jetzt einmal ein Ende haben! Es ist absurd, wenn Frau Steinbach ihre Bestellung als Mitglied im Stiftungsrat der unselbständigen Stiftung „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ durch die Bundesregierung zur Demokratiefrage erklärt.

Frau Steinbach hat sich für diesen Sitz selbst disqualifiziert, das sollte sie endlich akzeptieren. Sie hat gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Staatsgrenze gestimmt. Dass sie daher in Polen nicht als Versöhnerin, sondern als Provokation wahrgenommen wird, ist nicht verwunderlich und hat sie sich selbst zuzuschreiben.

Die Bundesregierung muss ihre Verantwortung wahrnehmen: Steinbach ist im Stiftungsrat der unselbständigen Stiftung „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ indiskutabel. Diese Diskussion muss jetzt mal beendet und nicht schon wieder verschoben werden. Der Klamauk um die Besetzung des leeren Stiftungssitzes sollte schnell beendet werden, sonst ist diese Diskussion kein Beitrag zur Versöhnung und historischen Aufarbeitung, sondern allein eine Belastung unserer Beziehungen zu unseren osteuropäischen Nachbarn. Herr Westerwelle wäre nach seinen Zusagen in Polen bloßgestellt, würde die Bundesregierung eine Bestellung von Frau Steinbach jetzt noch beschließen.

Es ist auch falsch, wenn sie behauptet der BdV entscheide allein über seine Vertretung in der Stiftung. Der BdV benennt Mitglieder und die Bundesregierung bestellt sie oder eben auch nicht, so regelt es das Gesetz. Damit liegt die Letztverantwortung bei der Bundesregierung. Diese ungewöhnliche stiftungsrechtliche Konstruktion wurde im Hinblick auf die mögliche außenpolitische Wirkung dieser Personalien gewählt.

Am nächsten Mittwoch werde ich die Bundesregierung in der Fragestunde fragen, ob sie Frau Steinbach bestellen wird.

Stumpfer Stachel – hat Sting sein Engagement für die Menschenrechte vergessen?

Morgen erscheint das neue Album von Sting. Man darf gespannt sein, ob Sting damit an frühere Erfolge anknüpfen kann. Als Veteran der 80er Jahre möchte er jedenfalls nach eigenen Angaben nicht mehr gelten. Ob dies auch für sein früheres Menschenrechtsengagement gilt? Vielleicht beschäftigt sich Sting nicht mehr so sehr damit wie früher. Anders kann man sein Konzert in der letzten Woche in Taschkent kaum erklären. Gulnara Karimova, die Tochter des Diktators Karimow (und selbsternannte „Lady Di“ des Landes) hatte geladen. Tickets lagen zwischen 1100 und 2200 US-Dollar. Das entspricht dem 45-fachen des durchschnittlichen Monatseinkommens in Usbekistan. Entsprechend zusammengesetzt dürfe auch das Publikum gewesen sein. Auch böse Menschen haben Lieder.

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Foto: flickr.com/Scott Ableman - Creative Commons-Lizenz

Es darf gerätselt werden, warum ausgerechnet Sting, der sich in den 80er Jahren z.B. mit einem großartigen Song für die Folteropfer des Pinochet-Regimes in Chile eingesetzt hat, nun ein solches Konzert für die Anhänger Karimows gibt. Man will Sting nichts unterstellen. Geschah der Auftritt in Taschkent nur aus Unwissenheit über die Verhältnisse in Usbekistan? Kaum vorzustellen, dass Sting auch eine Einladung von Mugabe oder Birmas Machthabern angenommen hätte. Man wünscht sich, Sting hätte in Taschkent auch den eben erwähnten Song dargeboten, und den Namen des Diktators ausgetauscht: „Hey Mr. Karimov, You’ve sown a bitter crop. It’s foreign money that supports you . One day the money’s going to stop. No wages for your torturers, No budget for your guns, Can you think of your own mother Dancin‘ with her invisible son” Die Gesichter im Publikum hätte man gerne gesehen.

Auch in Deutschland ist über das Karimow-Regime nur wenig bekannt, obwohl die Bundeswehr einen Militärstützpunkt im Land hat. Am Montag soll nun auf maßgeblichen Druck Deutschlands das Waffenembargo gegen Usbekistan aufgehoben werden. Die EU hat 2005 als Folge der blutigen Vorfälle in Andischan Sanktionen, wie etwa das Waffenembargo, gegenüber Usbekistan verhängt. Diese sollten erst gelockert oder aufgehoben werden, wenn Usbekistan substanzielle Verbesserungen seiner Menschenrechtslage vorweisen kann. Diese Verbesserungen sind aber nur in einigen wenigen Punkten eingetreten. Der Forderungskatalog der EU wurde nicht erfüllt.

Ich habe Bundeskanzlerin Merkel in einem Brief aufgefordert, sich für die Menschenrechte zu entscheiden. Das bedeutet im Fall Usbekistan: Keine Aufhebung des Waffenembargos, bis alle Forderungen der EU zur Verbesserung der Menschenrechtslage erfüllt sind. Auch Sting werde ich einen Brief schreiben. Sicher hat er nur nichts gewusst.

Noch Wünsche?

Mein Büro hat die Forderungen des Programms der Piratenpartei und der Grünen gegenübergestellt:

Piratenpartei

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Bündnis 90/Die Grünen

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Kap.1: Grundgesetz bewahrenUniverselle Geltung der Menschenrechte; Durchsetzung national und international Freiheit konkretisiert sich in den Grundrechten unserer Verfassung und in den völkerrechtlich verbrieften Menschenrechten; kein Rabatt bei Menschenrechtverletzungen ;Menschenrechte gelten für alle Menschen, überall und jederzeit; sie sind unteilbar
Stärkere Beachtung Grund- und Bürgerechte; Wir sind AnwältIn der Bürgerrechte, wir verteidigen d. freiheitlichen Rechtsstaat; gegen d. Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten
Kategorisch gegen jegliche Änderung des GG in den Art.1-19, „da dies immer nur zu einem Abbau führe“ Wir sind für Verbesserungen im GG:

Wir wollen umfassend mehr Datenschutz („Meine Daten gehören mir“). ins Grundgesetz,  BT-Ds. 16/9697, das „Grundrecht auf Datenschutz im öffentlichen und privaten Bereich“ stärken, BT-Ds. 16/13170. Und auch eine Ergänzung von Art.3 um das Merkmal der sex. Identität.

Kap.2 : Privatsphäre (auch Innere Sicherheit) und Datenschutz:Durchsetzung des Folterverbots Wir setzen uns insbesondere ein gegen Folter, Todesstrafe, willkürliche Verhaftungen, Rassismus, Versklavung, sexuelle Ausbeutung und Diskriminierung aufgrund der ethn. Zugehörigkeit, des Geschlechts od. d. sex. Orientierung . Auch d. Anti-Terrorkampf legitimiert keine Aufweichung d. absoluten Folterverbots.Für eine effektive Umsetzung des Zusatzprotokolls zur VN-Anti-Folter-Konvention, BT-Ds.16/8760
Bessere, wirksame Kontrolle von Geheimdiensten und Polizei national und europaweit Die Kontrolle der deutschen Geheimdienste ist völlig unzureichend. (Grüner Antrag: 16/843, Wirksame Kontrolle d. Geheimdienste und Gesetzentwurf mit umfassenden Verbesserungen zur Geheimdienstkontrolle und Informationszugang, BT-Ds. 16/12189
Solange kein europaweiter einheitlicher Datenschutz auf hohem Niveau existiert, dürfen die Hürden für den Informationsaustausch zwischen der deutschen Polizei und der anderer Mitgliedsstaaten nicht weiter abgesenkt werden. Kein Informationsaustausch mit Staaten ohne wirksamen Datenschutz Einführung einer Informations- und Auskunftspflicht gegenüber den Betroffenen beim Datenaustausch zwischen Polizeien der EU-Länder ; Schutz von Ermittlungsdaten vor automatischem Austausch zwischen Polizeien verschiedener Staaten Wir lehnen Abkommen mit anderen Staaten ab, die eine Aufweichung des Datenschutzes zum Gegenstand haben.Wir wollen die Stärkung d. Datenschutzes auf europäischer Ebene und des EU-Datenschutzbeauftragten. Der weitere Ausbau der Zusammenarbeit muss Hand in Hand gehen mit verbindliche Garantien zum Schutz d. Bürgerrechte.

Wir sind gegen einen umfassenden Generalverdacht und die Totalprotokollierung persönlicher Daten! Wir stehen für „Freiheit statt Angst“, höchste Datenschutzstandards und die uneingeschränkte Achtung der BürgerInnenrechte.

Rücknahme des Gesetzes über die Vorratsdatenspeicherung Wir lehnen die unverhältnismäßige Vorratsdatenspeicherung strikt ab und fordern deren Rücknahme. (BT-Ds. 16/237, Freiheit des Telefonverkehrs vor Zwangsspeicherungen). Außerdem klagen wir vor d. Bundesverfassungsgericht.
keine Vorratsspeicherung von Flug-, Schiff- und sonstigen Passagierdaten (PNR: Passenger Name Records); keine Weitergabe von solchen Passagierdaten an Dritte Keine Speicherung von EU-Fluggastdaten, BT-Ds. 16/8199Europäische Datenschutzstandards bei der Weitergabe von Fluggastdaten an die USA sicherstellen, BT-Ds. 16/4445
Rücknahme der Auslandskopfüberwachung Umfassender Grüner GE zur Reform der Telekommunikationsüberwachung, der den Grundrechtsschutz und eine Eindämmung der Telefonüberwachungen gewährleistet, BT-Ds. 16/3827
kein automatisiertes KFZ-Kennzeichen-Scanning Wir sind gegen den Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungsdateien;  Verkehrsüberwachung und Verbrechensbekämpfung dürfen nicht miteinander verquickt werden
Abschaffung der biometrischen Daten in Pässen und Ausweisen. Verzicht auf RFID-Chips in Ausweisdokumenten. Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren BT-Ds. 16/4159Wir sind für einen restriktiven Umgang mit RFID-Chips; Datenschutz bei der Verwendung von RFID-Chips sicherstellen, BT-Ds. 16/ 7138
Einrichtung einer unabhängigen deutschen Datenschutzbehörde mit Sanktions-Recht Mein Daten gehören mir: Wir haben im Mai 2009 eine umfassende Datenschutzinitiative gestartet . Datenschutz stärken, u.a. schärfere Sanktionen bei Datenmissbrauch, BT-Ds. 16/ 10216;

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) muss künftig angemessen der Tatsache Rechnung tragen, dass die Privatwirtschaft mittlerweile der größte Datensammler ist und dass der Staat den Schutz des Einzelnen auch gegenüber privaten Unternehmen zu gewährleisten hat.

Schutz vor Bespitzelung am Arbeitsplatz durch ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Um den Arbeitnehmerdatenschutz zu gewährleisten, haben wir einen GE eingebracht:  Persönlichkeitsrechte abhängig Beschäftigter sichern – Datenschutz am Arbeitsplatz stärken, BT-Ds. 16/9311
keine ‚präventive‘ Strafverfolgung (keine Aufhebung der Unschuldsvermutung) Wir sind u.a. gegen ein präventives Strafrecht, vgl. Beschluss d. Fraktion v. 08.05.2007: Innere Sicherheit geht andersDie Menschen schützen, die Freiheit bewahren
Abschaffung der „Anti-Terror-Datei„, der „Visa-Warndatei“ und anderer unrechtmäßiger Datenbanken Die Anti-Terrordatei muss zu einer „Kooperationsdatei“ zurechtgestutzt werden.„Die bestehende Antiterrordatei mit ungezügeltem Zugriff ist wie ein gemeinsamer Aktenschrank v. Polizei u. Geheimdiensten.“

Große Bedenken haben wir bei einem Zugriff aller Sicherheitsbehörden auf das geplante VISA-Informationssystem der EG. Hier entsteht die vermutlich größte grenzüberschreitende Datenbank Europas in Europa mit jährlich rund 20 Mio. neuen Einträgen. Hier muss gewährleistet sein, dass – wenn überhaupt – Abfragen nur zur Bekämpfung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten und nur im jeweiligen Einzelfall zulässig sind. Notwendig sind zudem klare Regelungen über die Weiterverwendung der aus dem VISA-Informationssystem bezogenen Daten.

Stärkung des allgemeinen Informantenschutzes Wir wollen z.B. Hinweisgeber in Unternehmen (sog. Whistleblower) besser arbeitsrechtlich schützen. Oftmals werden Mitarbeiter die Korruptionsfälle publik machen als Nestbeschmutzer diffamiert und müssen mit Mobbing und Karriereknick bis hin zur Kündigung rechnen. Wir brauchen ein Kündigungsverbot für diese Mitarbeiter und die Einrichtung von telefonischen Hotlines, wo Korruptionsfälle auch anonym gemeldet werden können.  BT-Ds. 16/4459
Abschaffung der Beugehaft für Zeugen Keine Aussage hierzu im Programm .(Im Strafverfahren kann sie von 1 Tag bis zu 6 Wochen verhängt werden (Art. 6 Abs. 2 EGStGB). Gesetzlich geregelt ist sie in § 70 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO). In § 70 Abs. 2 StPO ist zusätzlich die Möglichkeit einer Beugehaft von bis zu sechs Monaten vorgesehen.)
Wiederherstellung der Trennung von Polizei und Geheimdiensten. Rücknahme der geheimdienstlichen Befugnisse für das BKA. Wir sind gegen die zunehmende Verschmelzung von Polizei und Geheimdiensten. Die bewährte föderale und rechtsstaatliche Sicherheitsarchitektur wird dadurch gefährdet und geschwächt. (vgl. „Innere Sicherheit geht anders – Die Menschen schützen, die Freiheit bewahren Fraktionsbeschluss, 8. Mai 2007)
Einführung eines eindeutigen, gut sichtbaren Identifikationsmerkmals (Nummer oder Name) für Polizisten bei Einsätzen zur Identifikation Alle Polizisten müssen klar erkenntlich ihre Dienstnummern auf dem Rücken tragen.
Verzicht auf Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen etc., Videoüberwachung generell verstärkt ersetzen durch unbewaffnete Polizeistreifen. Wir sind gegen eine flächendeckende Videoüberwachung;Auch keine (Video)Bespitzelung von Arbeitnehmern: Persönlichkeitsrechte abhängig Beschäftigter sichern – Datenschutz am Arbeitsplatz stärken , BT-Ds. 16/ 9311. Für den polizeilichen Einsatz von Filmkameras gegen demonstrierende fordern „höhere Anforderungen“.
Keine automatische Gesichts- oder Verhaltenskontrolle „Keine staatliche Peepshow“= Nein zur staatlichen Bespitzelung via Videospionage
Ausweitung des Persönlichkeits-Kernbereichs auf elektronische-Medien (z. B. Mail bei Webmailern, Laptop) Wir Grüne wollen eine „freie Internetkultur mit vollem Grundrechtsschutz; das Internet ist oft der letzte Hort der Freiheit in den Diktaturen unserer Zeit und das einzige Tor zur freien Kommunikation. Wir treten für einen starken Datenschutz im digitalen Zeitalter ein.
Keine geheimen Durchsuchungen – weder online noch offline! Wir sind gegen geheime Online-Durchsuchungen und hätten uns seinerzeit sogar vom Bundesverfassungsgericht ein Totalverbot der Onlinedurchsuchung gewünscht.  Ein derart tiefgreifender Einschnitt in die Bürgerrechte ist für uns tabu. Bei den strafprozessualen Eingriffsmitteln sind wir für hohe rechtliche Hürden, z.B. als Voraussetzung die Notwendigkeit substantieller richterlicher Beschlüsse
Überprüfung und ggf. Aufhebung der unter dem Namen ‚Anti-Terror-Maßnahme‘ eingeführten Regelungen, die seit dem 11.9.2001 installiert wurden Der Schutz der in Deutschland lebenden Menschen, ihres Lebens, ihrer Freiheit und ihrer Gesundheit und die möglichst umfassende Vermeidung von Angst und Schrecken sind Bestandteile grüner Politik. Wir ducken uns nicht weg und überlassen das Thema „Sicherheit“ nicht anderen. Gerade eine Bürgerrechtspartei hat in der Sicherheitspolitik ihre Bewährungsprobe. Wir stellen uns der Aufgabe, die terroristische Bedrohung in der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren. Der Kampf gegen den Terrorismus muss aber effizient und verhältnismäßig sein. Deshalb prüfen wir im Kampf gegen den Terrorismus stets:
• Sind die vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet, das vorgegebene Ziel zu erreichen?
• Sind sie zur Erreichung des gestellten Ziels erforderlich?
• Können die Ziele auch grundrechtsschonender erreicht werden?
• Und schließlich, welche bürgerrechtlichen Kosten stehen welchen Zugewinnen an Sicherheit gegenüber?
Bleiben dabei ernsthafte Zweifel gilt der Grundsatz: „In dubio pro libertate“. Die rot-grünen Maßnahmen nach dem 11.9. sind bis auf wenige Ausnahmen, was uns nach der von uns eingeführten Evaluierung aufgefallen ist, nach diesen Kriterien entwickelt worden.
Einführung einer Meldepflicht von Unternehmen und Behörden bei Datenpannen Unternehmen müssen Verstöße und Datenpannen melden. Banken müssen mehr kritisches Bewusstsein und stichprobenartige Plausibilitätsprüfungen beim Einzugsverfahren entwickeln.(Grüner Antrag, BT-Ds. 16/10216)
Berücksichtigung des Datenschutzes für Bürger- und Arbeitnehmer/innen bereits in der Konzeptionsphase aller öffentlicher eGovernment-Projekte Wir wollen starken Datenschutz im digitalen Zeitalter. Wir wollen Speicherfristen auf ein Minimum verkürzen und d. Recht auf umfangreiche Datenauskunft gerade auch im Internet festschreiben.
Keine einheitliche Schülernummer (Berliner SchülerID) Wir sind gegen eine einheitliche Schülernummer (Berliner SchülerID), der BuVo hat entsprechende Forderung des AK Vorrat bereits unterzeichnet
Keine Weitergabe von Informationen über Menschen ohne triftigen Grund; keine europaweite Vereinheitlichung staatlicher Informationssammlungen (Stockholmer Programm) Wir unterstützen die Forderung. Der BuVo hat sie gezeichnet (s.o.)
Keine systematische Überwachung des Zahlungsverkehrs oder sonstige Massendatenanalyse (Stockholmer Programm) Wir unterstützen die Forderung. Wir Grüne mahnen strengere Datenschutz-Vorschriften an. Wir wollen auch mehr Datenschutz beim so genannten Scoring, BT-Ds. 16/683
Keine Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte in der derzeit geplanten Form Die Gesundheitskarte darf nur dann eingeführt werden, wenn eine umfangreiche Risikoanalyse durchgeführt wurde. Ein Datenmissbrauch bei der riskanten zentralen Speicherung muss ausgeschlossen sein.Antrag: „Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gewährleisten“, BT-Ds. 16/12289
Unabhängige und umfassende Evaluierung aller Überwachungsbefugnisse Unter Rot-Grün haben wir zeitliche Befristungen und Evaluierungsvorbehalte z.B. in die Anti-Terror-Gesetze hineinformuliert
„Freies Internet“:
keine Beschränkung des Internetzugangs durch staatliche Stellen oder Internetanbieter (Sperrlisten)keine Sperrungen von Internetanschlüssen.

Verbot der Installation von Filtern in die Infrastruktur des Internet.

Entfernung von Internet-Inhalten nur auf Anordnung unabhängiger und unparteiischer Richter.

Einführung eines uneingeschränkten Zitierrechts für Multimedia-Inhalte, das heute unverzichtbar für die öffentliche Debatte in Demokratien ist.

Schutz von Plattformen zur freien Meinungsäußerung im Internet (partizipatorische Websites, Foren, Kommentare in Blogs), die heute durch unzureichende Gesetze bedroht sind, welche Selbstzensur begünstigen (abschreckende Wirkung).

Digital ist besser-für ein freies Netz“Wir Grüne wollen eine freie Internetkultur, das Internet ist kein rechtsfreier Raum

Die Filterung des Datenverkehrs sowie massenhafte und unbegründete Speicherorgien, wie die Vorratsdatenspeicherung, lehnen wir strikt ab. Den aktuellen Vorschlägen zur Einführung von Internetsperrlisten und den Aufbau einer umfassenden Sperrinfrastruktur erteilen wir eine klare Absage, da sie rechtsstaatlich und technisch unverantwortlich

sind. (vgl. auch Grüner Entschließungsantrag, BT-Ds. 16/ 13470)

Wir teilen in diesem Abschnitt sämtliche Forderungen der Piratenpartei; sie sind deckungsgleich mit den Forderungen des AK Vorratsdatenspeicherung und des Demo-Bündnisses „Freiheit statt Angst“. Der Bundesvorstand der Grünen hat all diese Forderungen bereits unterzeichnet.

Kap.3: Demokratie durch Transparenz u. BeteiligungOffenlegung v. Nebentätigkeiten v. Mandatsträgern , auch unentgeltliche, wie Ehrenämter etc. Wir haben noch unter Rot-Grün die Offenlegung v. bezahlten Nebentätigkeiten beschlossen. Sie dienen nicht der Befriedigung von Sozialneid und sollen auch nicht wirtschaftliche Betätigungen von Abgeordneten diskreditieren oder unmöglich machen. Sie sollen verhindern, dass über die wirtschaftlichen Interessen der Abgeordneten auf die Ausübung ihres Mandats in illegitimer Weise Einfluss genommen wird.
Karenzzeit f. ausgeschiedene „Amtsträger“ von 2-Jahren Wir verlangen Karenzzeiten für den Wechsel von Ministerinnen und Ministern und Staatssekretärinnen und Staatssekretären in die Wirtschaft, wenn ein Interessenkonflikt zwischen alter und neuer Tätigkeit besteht. Ein  Bundestagsantrag der grünen Fraktion – BT-Ds. 16/948 – orientiert sich an einer vergleichbaren Regelung die es für Beamte in § 69a BBG gibt. Die Bundesregierung haben wir aufgefordert, eine verfassungsfeste Lösung zu finden, die auch das Grundrecht der Berufsfreiheit respektiert. Eine feste Karenzzeit, in der nach unserer Sicht ein Eingriff in die Berufsfreiheit eines Ex-Ministers gerechtfertigt zu sein scheint formuliert unser Antrag zwar nicht, angemessen sein dürften jedoch eher  drei Jahre.
Keine Zensur im Internet; gegen „Inhaltsfilterung“ Wir teilen die Forderung (s.o.)
Informationsfreiheit:IFG reicht nicht

umfassendes Einsichtsrecht ohne Begründungszwang

jährlicher öffentl. Bericht über Auskunftspraxis

Wir werden mehr Transparenz schaffen unddas Informationsfreiheitsgesetz des Bundes umfassend erweitern. (BT-Ds. 16/10880) Wir fordern aber auch eine grundlegende Verbesserung der behördlichen Datenschutzbestrebungen. Immer wieder kommt es auch bei Behörden zu Datenskandalen. Einwohnermeldedaten tauchen plötzlich im Internet auf.
Whistleblower-Schutz umfassend ausbauen; bestehender Gesetzentwurf nicht ausreichend Wir brauchen einen effektiven Schutz von »whistle-blowern«, die die Öffentlichkeit über Missstände in Unternehmen und Behörden informieren. (s. oben)
Direkte Demokratie:Einführung Volksinitiative und Volksbegehren

Fakultatives Referendum gegen Beschlüsse d. Bundestages

Obl. Referendum bei EU-Reformen und GG-Änderungen

Wir sind längst für den für den Ausbau direkter Demokratie auf Bundesebene und haben bereits mehrfach entsprechen de Bundestagsinitiativen gestartet, zuletzt: 16/680:Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch zwischen den Wahlen per Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid – bei Gewährleistung der Grundrechte und des Minderheitenschutzes – über wichtige bundespolitische Fragen entscheiden können. Wir befürworten obligatorische Referenden über Änderungen des Grundgesetzes und über die Ratifizierung neuer EU-Verträge.
Strikte Gewaltenteilung:Trennung Amt und Mandat Keine Entsprechung
Kap.4: Immaterialgüterrechte (Urheberrecht etc.)Für Private ohne Kommerzinteresse freies Recht zur Verwendung, Kopieren von Werken

Gegen Ausweitung der Schutzfristen (nur bis Tod d. Urhebers)

Patentrecht reformieren, z.B. keine Patente auf Software und Geschäftsideen

Wir unterstützen die Anwendung von Open Source, Freier Software, Freien Funknetzwerken, Offenen Formaten und innovativen Lizenzen.Maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft neuer Unternehmensmodelle hat eine zukunftssichere Regelung des Urheberrechts.

Derzeit verbreitet allen voran die Medienindustrie eine Ideologie, die unlizensierte Nutzung als »Raub« und »Piraterie« kriminalisiert. Im Kampf gegen die Internetpiraterie gerät jedoch immer öfter die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger unter die Räder – und der freie Zugang zu Wissen und kulturellen Werken. Massenhafte Verfolgung, den Einsatz von digitalem Rechtemanagement sowie die Bestrafung von digitalen Privatkopien lehnen wir ab. Solche Flickschustereien der vergangenen Jahre am Urheberrecht wollen wir beenden. Wie schon im Patentrecht treten wir ein für grundlegende Reformen der bestehenden Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland und der EU sowie der übergeordneten Institutionen und Verträge. (vgl. auch Grüner Antrag: „Internetnutzerinnen und – nutzer nicht massenhaft kriminalisieren – Novellierung des EU-Telekommunikationspakets nicht für Urheberrechtsregelungen missbrauchen“, BT-Ds. 16/ 10843

Open Access: Kostenfreier Zugang für Alle zur Forschung, die öffentlich gefördert ist  (auch open access in der Öff. Verwaltung) Im Wissenschaftsbereich unterstützen wir Open Access. Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Geldern erzielt wurden, sollen der Öffentlichkeit auch frei zugänglich sein. Gleiches gilt für öffentliches Wissen, das in Behörden und Archiven schlummert. Dieses gilt es, durch offene Lizenzen frei zugänglich zu machen. Uns geht es um gerechte Zugangschancen für alle Menschen auf dieser Welt. Das Recht auf einen freien Zugang zum Internet ist eine entscheidende Teilhabefrage des 21. Jahrhunderts.( vgl. auch Neugier und Verantwortung, Fraktionsbeschluss vom 12.02.2008)
Keine Patente auf Leben, Saatgut, Gene Biopatente führen zu Monopolansprüchen weniger Konzerne auf Pflanzen und Tiere, zu Abhängigkeiten von Landwirtinnen und Landwirten und blockieren innovative Züchtungsfortschritte.Wir setzen uns daher für eine Korrektur der EU-Biopatentrichtlinie und für eine Novellierung des Deutschen Patentgesetzes ein. Damit Patente auf Pflanzen, Tiere und biologische Züchtungsverfahren nicht weiter erteilt werden können. vgl. unser Antrag: Biopatentrecht verbessern – Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen Züchtungsverfahren verhindern, BT-Ds. 16/ 11604
Kap.5: Infrastrukturen offen haltenVerstaatlichung „natürlicher Infrastrukturmonopole“ wie Straßen, Schienen und Stromnetze In manchen Bereichen muss der Staat wieder als Eigentümer wirtschaftlicher Strukturen in Erscheinung treten. Die Privatisierungseuphorie der neunziger Jahre ist weit über das Ziel hinausgeschossen. Natürliche Monopole im Bereich der Netzinfrastrukturen müssen zumindest im Teilbesitz der Allgemeinheit bleiben oder – etwa im Bereich der Stromnetze – überführt werden. Der Staat muss in den Unternehmen, an denen er beteiligt ist, seine Kontrollrechte besser wahrnehmen.
Kap. 6: Bildung Freier Zugang zu Infos und Bildungseinrichtungen f. Alle Wir brauchen einen grünen Neuen Gesellschaftsvertrag, der mit guter Bildung Chancen und Perspektiven schafft, anstatt Bildungsarmut immer weiter zu verfestigen. Dazu gehören Bildungseinrichtungen, in denen alle ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Geschlechtes gefördert werden und in denen alle bessere Leistungen erbringen können. Bildung made in Germany muss ein Qualitätssiegel für optimale Lernbedingungen werden. In keinem anderen Land ist der Bildungserfolg derart von der sozialen Herkunft abhängig wie bei uns.Wir brauchen eine Bildungsoffensive für mehr Chancengleichheit in unserem Land. Dazu wollen wir den Solidaritätszuschlag in einen Bildungssoli umwandeln.

Vgl. auch den grünen Entschließungsantrag: BT-Ds. 16/13230

Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Geldern erzielt wurden, sollen der Öffentlichkeit auch frei zugänglich sein. Deshalb unterstützen wir Open Access im Wissenschaftsbereich.

Keine Studiengebühren („Bildungsgebühren“) Wir setzen uns für ein beitragsfreies Ausbildungssystem ein, das alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft fördert. So erreichen wir Chancengerechtigkeit, in der jede und jeder die eigenen Potenziale entwickeln kann. Auf dem Weg dorthin haben wir klare Prioritäten gesetzt, wie dieses Ziel erreicht werden kann: frühere und bessere individuelle Förderung, längeres gemeinsames Lernen mindestens bis zur 9. Klasse sowie ein offeneres und attraktiveres Ausbildungssystem und das Ende der Studiengebühren.Vgl. BT-Ds. 16/ 16/8749 und Fraktionsbeschluss, Neue Studienfinanzierung, vom 24. März 2009
Pro Lehrmittelfreiheit Ein wesentlicher Bestandteil von Chancengerechtigkeit ist, die versteckten Kosten für den Schulbesuch abzuschaffen.
Keine Kopfnoten z.B. bei Verhalten „Kopfnoten“ im Zeugnis lösen die Probleme nicht. Natürlich kann man Höflichkeit gegenüber seinen Mitmenschen durch Lohn und Strafe antrainieren. Dann verkommt Anstand aber zum bloßen Verhaltensmuster. Heranwachsende müssen eine echte Einsicht gewinnen, warum es für sie und andere notwendig ist, gegenüber Mitmenschen nicht nur höflich, sondern auch fair, tolerant und hilfsbereit zu sein.Vgl. Grünes Gesetz in NRW zur Abschaffung v. Kopfnoten, LT-Ds. 14/6157
Demokratisierung aller Bildungseinrichtungen Schulen und Hochschulen sind wichtige Orte, an denen Demokratie erprobt werden kann. Lernen durch Demokratie findet nur in einer Schule statt, die anregungsreich, experimentell und fehlerfreundlich ist.Die demokratische Schule zeichnet sich durch Offenheit und Pluralität aus. Sie fördert eine forschende Einstellung zum Lernen und das forschende Entdecken und Erfinden.

(Anm.: die Gegenüberstellung orientiert sich im wesentlichen an den Formulierungen in den Wahlprogrammen; ergänzend wurde auf Fraktionsbeschlüsse und -initiativen o.ä. zurückgegriffen)

Der direkte Vergleich der Punkte kann auch > hier als PDF-Datei heruntergeladen werden…

Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft

Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft,

dann findet das weder bei Herrn Plasberg noch wie bei Herrn Westerwelle in den Nachmittags-Talkshows statt. Eigenes Erleben und konkrete Erfahrungen der Menschen, die einem begegnen, ist durch die von den Medien vermittelte Abbildungen der Wirklichkeit nicht zu ersetzen.

Pflegereform, Patientenverfügung, Palliativversorgung – in dieser Wahlperiode wurde viel über Krankheit, Pflege und Sterben in Würde geredet. „Wir werden jetzt mit der Pflegereform dafür sorgen, dass jeder so lange wie möglich zu Hause bleiben kann“, versprach die Gesundheitsministerin bei der Verabschiedung der Pflegereform.

Doch wie sieht die Wirklichkeit aus?

Durch die Krebserkrankung meines Mannes habe ich in den letzten Monaten Erfahrungen mit den französischen und deutschen Pflegestrukturen gemacht.

In Frankreich gibt es eine stabile Versorgungsstruktur, die sich hospitalisation à domicile (HAD) nennt. Eingebettet in die Struktur eines Krankenhauses wird die Pflege zu Hause organisiert. Die gesamte Pflege und Organisation der Betreuung wird vom Krankenhaus gemanagt. 24 Stunden am Tag ist eine Hotline erreichbar, an die man sich im Notfall wenden kann. Auch wenn man sich die Ergänzung dieser Struktur um einen ärztlichen Dienst wünschen würde, vermittelt diese Struktur große Sicherheit für den Patienten, die Angehörigen und das Pflegepersonal.

Anders in Deutschland. Trotz einer existierenden Home-Care-Struktur führen Defizite bei der Organisation zu unnötigen Krankenhauseinweisungen, nur weil es keine belastbare Infrastruktur im Hintergrund gibt. Wir konnten solche Einweisungen nur durch die Hilfe befreundeter Ärzte abwenden. Ohne diese privilegierte Situation wäre in nur 3 Wochen mindestens 3 mal eine Krankenhauseinweisung nötig gewesen.

– Ein Katheder platzt zur falschen Zeit, nach Ladenschluss. Die Apotheke sagt, in einigen Stunden könne sie sagen, ob sie noch einen geliefert bekommt. Man solle halt ins Krankenhaus gehen, wenn es eilt.
– Eine Verlängerung der Infusionsleitung ist defekt. Der Pflegedienst weiß nicht, wo er am Wochenende Ersatz auftreiben kann.
– Ein Urologe wird benötigt. Nach Anruf in zahllosen Praxen Ergebnis der Pflegedienstleiterin: Für Kassenpatienten gebe es gar keine Urologen, die Hausbesuche machen würden. Da müsse man halt ins Krankenhaus, meinten die Ärzte.
– Warum soll man eine Bluttransfusion nicht auch zu Hause machen können?

Weil es an einer Logistik für Materialien fehlt oder weil Fachärzte meinen, dass sie bei einem Hausbesuch nicht genug verdienen, soll ein Schmerzpatient qualvoll Treppen rauf und runter gekarrt werden? Wie oft soll ein Patient solche Torturen ertragen bis er aufgibt und resigniert einfach im Krankenhaus bleibt, weil er diese Qualen nicht noch zusätzlich ertragen kann? Die Kaltschnäuzigkeit dieser Fachärzte macht mich wütend.

Wo bleibt das ärztliche Berufsethos? Und warum fühlt sich in Deutschland offensichtlich niemand verantwortlich für die Hauspflege in einem Krankenhaus oder einer anderen Anlaufstelle alles notwendige Material zur Verfügung zu halten? In Frankreich geht es doch auch.

Kern des Problems, sagen Fachleute, sei die unselige Trennung zwischen dem ambulanten und stationären Sektor, letztlich zementiert durch das Mantra der Freiberuflichkeit bei den niedergelassenen Ärzten. Vor einigen Monaten haben die Kassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine Sondervereinbarung zur sog. „Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV) abgeschlossen, die spezielle Vergütungsregeln für Home Care enthält. Wie in allen sensiblen Bereichen argumentiert die Ärzteschaft, derartige Leistungen müssten zusätzlich zur Gesamtvergütung inzentiviert werden. Nun kritisiert sie die aus ihrer Sicht viel zu geringe zusätzliche Vergütung bei der SAPV. Parallel dazu ist die Gesamtvergütung für die niedergelassenen Kassenärzte in den letzten zwei Jahren um über 11% gestiegen…

Ich will in der nächsten Wahlperiode nicht Gesundheitspolitiker werden, sondern meine Arbeit im Bereich Menschen- und Bürgerrechte fortsetzen. Aber diesen Defiziten werde ich nachgehen. Das hohe Lied auf pflegende Angehörige können sich die GesundheitsministerInnen aller Couleur sparen, wenn diese Missstände nicht beseitigt werden.

Schnodderschnauze Wiefelspütz für weitgehende Ausdehnung der Internetsperren

Schnodderschnauze Wiefelspütz hat es ausgeplaudert: Die große Koalition ist sich einig über Internetsperren zu vielfältigen Zwecken. Der Zweck, den Zugang zu Kinderpornographie im Internet zu erschweren, ist nur der Anfang und Vorwand, um den Widerstand gegen die Einführung der Sperrtechnologie zu brechen.

Die Musikindustrie fordert schon lange die Internet-Sperre zum Schutz gegen Tauschbörsen. Und aus dem Bundeskabinett gibt es vielfältige Begehrlichkeiten von Schavan bis Zypries: Der Wunschzettel für Sperren reicht von Verboten von Gewaltspielen und -videos bis zum Schutz des Urheberrechtes.

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Die Kritiker von Frau von der Leyen haben es schon immer gesagt. Die innenpolitische Plaudertasche der SPD, Dieter Wiefelspütz, hat sich nun verplappert und gesagt, wo die Reise hingeht. Er kann sich vorstellen, auch Seiten mit verfassungsfeindlichen oder islamistischen Inhalten zu blocken, sagte der SPD-Kollege. Wohlgemerkt, er will nicht gegen die Inhalte und Betreiber vorgehen. Er will uns aber den Zugang zu Informationen über die Feinde der Demokratie sperren. Deutsche sollen sich nicht mehr über die Umtriebe von Hamas oder Hisbollah aus erster Hand informieren können.

Das sieht die Union nicht prinzipiell anders. Aber Wolfgang Bosbach ist geschickter und verquasselt sich nicht. Er hält „es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät”. Selbstentlarvend genug: erstmal! Er weiß: Beim Thema Kinderpornographie will jeder frei von dem Verdacht sein, er könnte ihrer wirksamen Bekämpfung irgendwie im Wege stehen; deshalb lässt sich unter diesem Vorwand die Sperrtechnologie am leichtesten aufbauen. Ist sie einmal da, muss man nur noch ihren Anwendungsbereich erweitern.

Wir Grünen wollen eine freie Internetkultur. Diese wird aber immer öfter bedroht. Den Vorschlägen zur Einführung von Internetsperrlisten und den Aufbau einer umfassenden Sperrinfrastruktur erteilen wir eine klare Absage, da sie rechtsstaatlich und technisch unverantwortlich sind.

Es ist wahr: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Deshalb muss die Verfolgung von Straftaten im Internet intensiviert werden. Dazu bedarf es vor allem einer besseren technischen Ausstattung der Behörden und einer personellen Aufstockung von Fachkräften. Wir wollen Ermittler, für die das Internet kein Fremdwort ist, sondern die schnell und wirksam Taten verfolgen. Bei Straftaten wie der Verbreitung von Kinderpornografie oder nationalsozialistischer Propaganda im Netz streiten wir für eine schärfere Verfolgung der Täter – vor allem durch eine bessere internationale Kooperation zwischen den Staaten beispielsweise durch vergleichbare Rechtsvorschriften oder gleiche Standards. Inhalte wie Kinderpornografie müssen aus dem Netz gelöscht werden, sobald sie bekannt sind, den Zugang zu ihnen zu erschweren nützt nichts.

Grün wählen!

In Brüssel und Berlin werden in den nächsten Jahren wichtige Weichen für die weitere Entwicklung des Netzes gelegt. Union und SPD hat mit Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und nun den Internetsperren die Freiheit des Netzes und seiner User immer wieder angegriffen.

Wer die Freiheit im Netz verteidigen will, muss diese beiden Parteien abwählen. Aber auch in der Opposition ist nicht alles Gold, was glänzt. Die FDP, die im Bund in der Opposition ähnliche Positionen wie die Grünen vertritt, hat mit ihrem NRW-Innenminister Wolf und seinem verfassungswidrigen Gesetz das Copyright für die Online-Durchsuchung inne. Und der PDL wurde der Kampf für Freiheitsrechte auch nicht gerade an der Wiege gesungen. Das zeigte sich auch wieder, als ihr Bundestagsabgeordneter Lutz Heilmann wegen einem unliebsamen Artikel kurzerhand die deutsche Domain von wikipedia sperren ließ.

Wer die Freiheit des Internet verteidigen will, hat eigentlich am 7.6. und am 27.9. nur eine Wahl: Grün!

Gestörtes Twittern

Die SPD (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,627468,00.html) will prüfen, ob der Bundestag das Twittern mit Störsendern unterbinden kann. Klingt absurd und ist es auch; dahinter verbirgt sich aber mehr. Dieser Vorstoß ist Ausdruck einer tiefgreifenden Verunsicherung durch die Kommunikationswege des web2.0. Traditioneller Journalismus und ein Teil der Politik sind verstört.

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Bild: Deutscher Bundestag/twitter (Montage: Büro Volker Beck)

Einerseits spürt die Politik1.0, dass da etwas droht: Kontrollverlust. Zu Recht. Wenn die Abgeordneten frei im Netz kommunizieren, verliert die Steuerung der Pressestellen und damit die politische Führung einen Teil ihrer Macht. Ähnliches gilt auch für die herkömmlichen Medien. Man kann einen Teil der Öffentlichkeit auch jenseits der zentral gesteuerten Pressemitteilung erreichen – ganz direkt. Noch ist die Reichweite des Microbloggings in Deutschland bei twitter zwar sehr begrenzt, aber wenn die Medien beginnen, sich aus den Kommentaren im Netz zu bedienen – was ihnen ja jederzeit frei steht – bekommt das Twittern eine andere Qualität als die altbekannten, statischen Webseiten der Politiker.

Andererseits dokumentiert dieser rabulistische Vorschlag eine mangelnde Reflektion von politischer Kommunikation. Wer etwas ausplaudert, was als vertraulich oder geheim eingestuft oder vereinbart ist, sei es aus ordentlichen Gremien des Bundestages oder auch den Beratungsgremien einer Partei oder Fraktion, begeht einen Vertrauensbruch, unter Umständen sogar eine Straftat (http://www.juraforum.de/gesetze/StGB/95/95_StGB_offenbaren_von_staatsgeheimnissen.html). Das ist aber unabhängig davon, ob der Vertraulichkeitsbruch oder Geheimnisverrat offline oder online geschieht, der Fall.

Nun leidet die politische Kultur generell an Durchstechereien, dem Weitergeben von Informationen oder auch dem Manipulieren durch Informationen über die Presse, meist unter Geheimhaltung der Quelle. Dagegen vorzugehen, kann im Einzelfall durchaus legitim sein.

Ein Beispiel aus dem wirklichen Berliner-Leben-1.0: Ich werde nie vergessen, wie mich bei internen rot-grünen Verhandlungen ein Minister anschrie, weil ein Verhandlungspapier seines Ministeriums während der Verhandlungen im Wortlaut über Agentur lief. Er beschuldigte unsere Verhandlungsgruppe der gezielten Indiskretion. Damit wollte er Pflöcke einrammen. Nun könne er nicht mehr zurück – wegen des sonst drohenden Gesichtsverlustes. Ich war konsterniert. Woher kam diese Meldung? Später zeigte mir der Agenturjournalist sein Fax. Absender: Pressestelle des Ministeriums. So kann man mit Informationsweitergabe Druck auf politische Entscheidungen aufbauen. Das gab es also schon immer. Nur dass man bei twitter immer Ross und Reiter kennt.

Von so einem Vorgang unterscheiden sich die zwei Bundestagstwitteraufreger bezüglich der Kommunikationsstruktur doch erheblich:

– Die Vorhab-Veröffentlichung des Wahlergebnisses der Bundespräsidentenwahl durch eine Schriftführerin (CDU) und zwei SPD-MdBs war nicht ok. Denn twitter ist nicht Wikileaks (http://beckstage.volkerbeck.de/2009/05/26/twitter-ist-nicht-wikileaks/) und was offline nicht ok ist, bleibt auch online ein Fehler. Aber die 3 standen durch die Twitterveröffentlichung ja immerhin öffentlich mit ihrem Namen dafür ein (mehr oder minder einsichtig). Denn das unterscheidet die twitter-Kommunikation ja prinzipiell von jeder anonymen Durchstecherei: Was man geschrieben hat, muss man hinterher vor den Followern und den Kollegen auch verantworten können. Deshalb gilt: Erst denken und dann twittern.

– Die SPD-Kollegin Gabriele Hiller-Ohm (http://twitter.com/GabiHillerOhm) hat es nach Ansicht der SPD-Fraktionsführung nun endgültig zu weit getrieben. Sie twitterte aus der Fraktionssitzung: „Steinbrück wirbt für Schuldenbremse“. Und: „Noch 30 Wortmeldungen zur Schuldenbremse.“ Welch Banalität! Welche sozialdemokratischen Staatsgeheimnisse hat sie damit ausgeplaudert? Die harsche Reaktion der SPD-Führung war daher unsouverän und ein Sturm im Wasserglas. Erfährt doch jeder Journalist im Hintergrund mehr Internas und manches sogar schon per SMS aus den Sitzungen.

Mit Störsendern wird die Politik die Politikkommunikation im web2.0 nicht stoppen können. Und das ist gut auch so!

Wir müssen vielmehr sehen, welche Chancen für Partizipation diese neuen Kommunikationskanäle bieten. Und wie wir mit diesen Möglichkeiten verantwortlich umgehen. Dazu gehört auch die interne und öffentliche Kritik an Regelbrüchen. Kommunikationsdisziplin statt Kommunikationsverbot ist die Antwort. Die Idee der Störsender ist so intelligent wie die Internetsperren der Ursula von der Leyen: Hilflos, scheinbar robust und nicht überlegt.