Schlagwort-Archiv: Netz

Pflegeberuf aufwerten

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Zeitpunkt erhitzt ein unautorisiertes und falsches Zitat die Gemüter – aus meiner Sicht vollkommen zu Recht. Auf der Website von Maischberger wurde mir folgendes Zitat unabgestimmt in den Mund gelegt: „Auch denen müssen wir eine Chance geben und sie fit machen: Deutschunterricht, Schulabschluss und Vermittlung in Ausbildung. Wir brauchen zum Beispiel viele Leute in der Pflege, da braucht man keine hohe Schulbildung.

Da ich in den 80er-Jahren selbst für sechs Jahre in der Altenpflege gearbeitet habe, ist das nicht meine Haltung. Deshalb hatte ich bereits am Mittwoch, 1. Juni, dem Sendetag von Maischberger und dem Tag der Veröffentlichung, das Zitat richtigstellen lassen. Hier finden Sie die korrekte Version. In der Sendung selbst, sagte ich folgendes ab Minute 52:36:

„Wo es alternativlos wird, ist im Bereich der Pflege. Weil ansonsten – das haben wir ja schon – dass Pflegebedürftige in andere Länder migrieren weil sie da auf die Situation treffen, dass Pflegekräfte ausreichend vorhanden sind. Das halte ich allerdings für keine Alternative, die ich bejahen möchte.“ […] „Aber Sie können auch Menschen, denen sie erstmal mit Integrationskursen die Ausbildungsfähigkeit in deutscher Sprache ermöglichen, dann eine Ausbildung in diesem Bereich anbieten.“

Wir Grünen wollen den Pflegeberuf aufwerten. Unser Konzept dazu finden Sie hier. Die Missverständnisse bedauere ich. Dass das verbreitete falsche Zitat nicht meine Meinung darstellt, habe ich damit hoffentlich dargelegt.

Ihr Volker Beck

FAQ zum Twitterkönig*

Volker Beck twitter im Bundestag

Volker Beck twittert im Bundestag (Foto: Kohlmeier)

Regelmäßig erreichen mein Büro die gleichen Fragen. Warum twittern Sie? Sind Sie selbst bei Facebook oder beispielsweise auch: Welche Chancen und Gefahren haben neue Medien. Auf die gängigen Fragen Finden Sie hier die Antworten.
[*Der Titel des Twitter-König wurde von heise.de verliehen]

Welche Web-2.0-Kanäle nutzen Sie? Und seit wann?

2005 bot ich als erster Politiker eine regelmäßige online-Sprechstunde bei GayRomeo an. Seit 2008 nutze ich vor allem Facebook und Twitter. Seit 2010 nutze ich – oder in diesem Fall besser gesagt mein Team – auch Youtube . Außerdem betreibe ich mein eigenes Blog: BECKSTAGE. FlickR habe ich 2010 mal ausprobiert, aber nicht durchgehalten. Instagram habe ich noch nicht ausprobiert.

Twittern sie selbst? Weiterlesen

Strg + F = inhaltliche Leere bei den Piraten

Haben Sie sich schon mal den Spaß erlaubt, das Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland auf Inhalte zu testen? Strg + F, das Ergebnis ist erschreckend. Nach dem medialen Hype stellen nun immer mehr Menschen fragen, was von den Freiheits- und Transparenzworthülsen übrig bleibt, nachdem sie frech abgefeuert wurden.

Frauen? Bei den Piraten? Ein schwieriges Thema. Deshalb taucht der Begriff erst garnicht im Programm auf. Logischer Weise findet man auch keine Aussage zur Frauenquote oder Feminismus.

Die Piraten wollen zwar auf „generative und regenerative Energiequellen“ umsteigen. Wie sie zur Atomkraft stehen, sagen sie nicht.  Grüne sagen: Atomkraft? Nein Danke! Weiterlesen

Schutzfristen radikal kürzen

Das Urheberrecht reflektiert die Neuerungen der Digitalisierung und des Internets nicht. Eine Urheberrechtsreform muss deshalb nicht nur den Konflikt zwischen UrheberInnen, VerwerterInnen und NutzerInnen auflösen, sondern auch die UrherberInnen gegenüber den VerwerterInnen stärken. Eine Urheberrechtsreform ist deshalb mehr als nur Netzpolitik. Jüngst wurde ich bei Heise und andernorts wegen meines Streichungsantrags D-02-526 bei dem Antrag „Offenheit, Freiheit, Teilhabe – die Chancen des Internets nutzen – den digitalen Wandel grün gestalten!“ kritisiert, der auf der kommenden Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Kiel verabschiedet werden wird.

Konkret möchte ich folgende Zwei Sätze im Kapitel Remix-Kultur und transformatorische Nutzung in den Zeilen 526-529 streichen:

Um eine Kultur der transformatorischen Nutzung zu ermöglichen, ist es Ziel unserer Politik, soviel Wissen und kulturelle Güter wie möglich zur freien Nutzung bereitzustellen. Deswegen wollen wir, dass Verwertungsgesellschaften Creative Commons Lizenzen zulassen, damit die Künstler freier wählen können, welche Verwertungswege sie einschlagen wollen. Eine deutliche Verkürzung bzw. Flexibilisierung der Schutzfristen z.B. auf fünf Jahre muss mit der Möglichkeit der Neuverhandlung einhergehen. Das bedeutet: Eine fünfjährige Schutzfrist ab Veröffentlichung mit anschließender, gebührenpflichtiger mehrmaliger Verlängerungsoption. Wir wollen eine Schrankenausweitung für Blinde, so dass sie leichter in den Genuss von Büchern kommen können.

Leider hat weder Peter Mühlbauer, noch sonst einE KritikerIn zu dem Streichungsantrag bei mir nach meiner Motivation gefragt. Ich will hier aber nicht über die Qualität von Meinungsartikeln und Blogs streiten.

Warum streichen?
Ich bin Verfechter einer radikalen Verkürzung der Schutzfristen. Gemeinsam mit Malte Spitz, Konstantin von Notz und vielen anderen haben wir bereits in unserem gemeinsamen Diskussionspapier „Grüne Urheberrechtspolitik im 21. Jahrhundert“ die „Entmonopolisierung und beschleunigte Teilhabe durch Verkürzung von Schutzfristen“ gefordert. Schutzfristen im Urheberrecht können bedeuten, dass das Recht zu kommerziellen Verwertung und damit u.U. auch die Veröffentlichung sowie auch die nichtkommerzielle Nutzung der Werke für eine bestimmte Zeit ausschließlich beim Erstveröffentlicher bleiben. Wegen überzogen langen Schutzfristen (70 Jahre nach dem Tode des/der UrheberIn) und einer fehlenden verpflichtenden Registrierung der Rechteinhaber können mehr und mehr „verwaiste Werke“ entstehen (d.h.  es ist unklar, ob und welche Schutzrechte bestehen und wo eine Genehmigung zur Verwendung eingeholt werden kann). Diese Schutzfristen behindern wissenschaftlichen, künstlerischen und kulturellen Fortschritt und sind ein Prellbock für die Kreativität in ganz vielen Bereichen. Die bloße Verkürzung auf die hier vorgeschlagenen fünf Jahre löst deshalb das Problem nicht, dass „verwaiste Werke“ entstehen, da die dafür notwendige Registrierungsstelle in dem Antrag fehlt. Zudem halte ich eine Verkürzung der Schutzfrist auf fünf Jahre zu Lebzeiten des Künstlers oder der Künstlerin für realitätsfremd.Dass beispielsweise mein Kollege Hans-Christian Ströbele jedes Mal daran verdient, wenn im Radio oder Fernsehen der legendäre „Tooor, Tooor, Tooor. Tor für Deutschland!“-Schrei der WM 1954 wiederholt wird, verstehe ich nicht – auch wenn ich es ihm persönlich gönne (er spendet ja die Einnahmen).

Deshalb möchte ich nochmals auf die Begründung unseres Streichungsantrags verweisen, der von seinen AntragstellerInnen unter Umständen aus unterschiedlicher Motivation heraus gestellt wurde:

Angesichts des derzeit noch rechtlich ungelösten Umgangs mit sogenannten „verwaisten Werken“ im Zuge des Digitalisierungsverfahrens (z.B. der Deutschen Digitalen Bibliothek und Europeana) sind Reformen des Urheberrechtes dringend erforderlich. Allerdings gibt es bezüglich der politischen Ausgestaltung einer Flexibilisierung von Schutzfristen unterschiedliche Auffassungen. Diese müssen im Hinblick auf die komplexe Thematik in einer dafür eingerichteten Arbeitsgruppe diskutiert und abschließend geklärt werden.

Das Urheberrecht ist ein juristisch komplexes Gebilde, dessen Änderungen zudem gegen eine starke Lobby erkämpft werden müssen, um ein für UrheberInnen und NutzerInnen zugleich faire Lösungen zu finden. In diesem Konflikt zwischen UrheberInnen, VerwerterInnen und NutzerInnen treten wir Grünen seit langem für die gesetzliche Einführung einer Kulturflatrate. Nun stehen wir bei den Schutzfristen erneut vor einem juristischen Giganten, dem man durch Schnellschüsse nicht Herr werden kann. Ich möchte deshalb gerne in meiner Partei die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl dafür nutzen, in einer Arbeitsgruppe nach geeigneten Möglichkeiten der Reformierung zu suchen. Ich verstehe und teile die Argumente für eine radikale Verkürzung der Schutzfristen, sehe aber auch die Sorgen und Nöte der UrheberInnen.

Gegen die Kritik an unseren Reformvorstellungen habe ich mich in einem Schreiben gemeinsam mit Konstantin v. Notz, Claudia Roth und Jerzy Montag hier gewandt.

Meckern statt Machen ist keine Netzpolitik, sondern unpolitisch!
Statt nur davon zu reden
, die Urheberrechtsfragen auf die Agenda der Parlamente heben zu wollen, sind wir Grüne seit Jahren damit beschäftigt. Es ist mir zu absolutistisch, hier nur an eine einzig richtige Wahrheit zu glauben, wenn noch gar nicht alle Optionen auf dem Tisch liegen.

Zuletzt möchte ich auf das Bundestagswahlprogramm der Grünen aus dem Jahr 2009 aufmerksam machen:

Wie schon im Patentrecht treten wir ein für grundlegende Reformen der bestehenden Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland und der EU sowie der übergeordneten Institutionen und Verträge. Wir drängen in eine Richtung, die zuvorderst BürgerInnen, KünstlerInnen, ForscherInnen, Schulen und Universitäten nützt und nicht der Medien- und Geräteindustrie oder Verlagsgiganten. Die Notwendigkeit einer Vergütung für die Schaffung geistiger Werke erkennen wir an. Pauschale Vergütungsmodelle stellen daher die Zukunft für einen fairen Interessenausgleich im digitalen Raum dar. Kernstück sind dabei die freie digitale Privatkopie und eine faire Lösung beim Urheberrecht im Internet. Diese Lösung muss in erster Linie Künstlerinnen und Künstler angemessen vergüten sowie Nutzerinnen und Nutzer nicht pauschal kriminalisieren, wenn sie Angebote downloaden. Die Einführung einer Kulturflatrate, die die nicht-kommerzielle Nutzung von digitalen Kulturgütern ermöglicht, kann ein richtiger Weg dahin sein.

 

Pipio ergo sum.

[Der Beitrag ist modifiziert am 31.10.2011 unter dem Titel „Netzanschluss ist Menschenrecht“ im Feuilleton der FAZ erschienen]

Mit dem Internetzeitalter wächst Paul Valérys Satz „man muß sich darauf gefaßt machen, daß so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern“ erst zu seiner Größe heran. Walter Benjamin stellt dieses Zitat seinem wegweisenden Werk „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ voran. Benjamins These ist, die Kunst und ihre Rezeption seien besonders durch die Entwicklung von Photographie und Film, also der Möglichkeit der massenhaften Reproduktion und der veränderten Abbildung der Wirklichkeit und damit einer veränderten kollektiven Wahrnehmung, selbst einem Wandel unterworfen. Die Neuerungen haben heute nicht nur die gesamte Technik der Künste verändert, sondern die Welt in ihrer Gänze. Diktaturen stürzen in sich zusammen, weil die Menschen dank Google, Facebook und Twitter plötzlich von Werten wie Demokratie und Menschenrechten erfahren und sich im Netz organisieren. Nahezu unbegrenzt ist der Zugang zu nützlichen oder vielen irrelevanten Informationen. Suchmaschinenfirmen, die uns helfen dieser Informationsflut Herr zu werden, entwickeln sich zu den politisch und wirtschaftlich mächtigsten Unternehmen der Welt. Der Zugang zu Kunst und Kultur entkoppelt sich zunehmend vom Einkommen, auch wenn dies zum Teil sehr zum Leidwesen der Kulturschaffenden geschieht. Weiterlesen

Schnodderschnauze Wiefelspütz für weitgehende Ausdehnung der Internetsperren

Schnodderschnauze Wiefelspütz hat es ausgeplaudert: Die große Koalition ist sich einig über Internetsperren zu vielfältigen Zwecken. Der Zweck, den Zugang zu Kinderpornographie im Internet zu erschweren, ist nur der Anfang und Vorwand, um den Widerstand gegen die Einführung der Sperrtechnologie zu brechen.

Die Musikindustrie fordert schon lange die Internet-Sperre zum Schutz gegen Tauschbörsen. Und aus dem Bundeskabinett gibt es vielfältige Begehrlichkeiten von Schavan bis Zypries: Der Wunschzettel für Sperren reicht von Verboten von Gewaltspielen und -videos bis zum Schutz des Urheberrechtes.

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Die Kritiker von Frau von der Leyen haben es schon immer gesagt. Die innenpolitische Plaudertasche der SPD, Dieter Wiefelspütz, hat sich nun verplappert und gesagt, wo die Reise hingeht. Er kann sich vorstellen, auch Seiten mit verfassungsfeindlichen oder islamistischen Inhalten zu blocken, sagte der SPD-Kollege. Wohlgemerkt, er will nicht gegen die Inhalte und Betreiber vorgehen. Er will uns aber den Zugang zu Informationen über die Feinde der Demokratie sperren. Deutsche sollen sich nicht mehr über die Umtriebe von Hamas oder Hisbollah aus erster Hand informieren können.

Das sieht die Union nicht prinzipiell anders. Aber Wolfgang Bosbach ist geschickter und verquasselt sich nicht. Er hält „es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät”. Selbstentlarvend genug: erstmal! Er weiß: Beim Thema Kinderpornographie will jeder frei von dem Verdacht sein, er könnte ihrer wirksamen Bekämpfung irgendwie im Wege stehen; deshalb lässt sich unter diesem Vorwand die Sperrtechnologie am leichtesten aufbauen. Ist sie einmal da, muss man nur noch ihren Anwendungsbereich erweitern.

Wir Grünen wollen eine freie Internetkultur. Diese wird aber immer öfter bedroht. Den Vorschlägen zur Einführung von Internetsperrlisten und den Aufbau einer umfassenden Sperrinfrastruktur erteilen wir eine klare Absage, da sie rechtsstaatlich und technisch unverantwortlich sind.

Es ist wahr: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Deshalb muss die Verfolgung von Straftaten im Internet intensiviert werden. Dazu bedarf es vor allem einer besseren technischen Ausstattung der Behörden und einer personellen Aufstockung von Fachkräften. Wir wollen Ermittler, für die das Internet kein Fremdwort ist, sondern die schnell und wirksam Taten verfolgen. Bei Straftaten wie der Verbreitung von Kinderpornografie oder nationalsozialistischer Propaganda im Netz streiten wir für eine schärfere Verfolgung der Täter – vor allem durch eine bessere internationale Kooperation zwischen den Staaten beispielsweise durch vergleichbare Rechtsvorschriften oder gleiche Standards. Inhalte wie Kinderpornografie müssen aus dem Netz gelöscht werden, sobald sie bekannt sind, den Zugang zu ihnen zu erschweren nützt nichts.

Grün wählen!

In Brüssel und Berlin werden in den nächsten Jahren wichtige Weichen für die weitere Entwicklung des Netzes gelegt. Union und SPD hat mit Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und nun den Internetsperren die Freiheit des Netzes und seiner User immer wieder angegriffen.

Wer die Freiheit im Netz verteidigen will, muss diese beiden Parteien abwählen. Aber auch in der Opposition ist nicht alles Gold, was glänzt. Die FDP, die im Bund in der Opposition ähnliche Positionen wie die Grünen vertritt, hat mit ihrem NRW-Innenminister Wolf und seinem verfassungswidrigen Gesetz das Copyright für die Online-Durchsuchung inne. Und der PDL wurde der Kampf für Freiheitsrechte auch nicht gerade an der Wiege gesungen. Das zeigte sich auch wieder, als ihr Bundestagsabgeordneter Lutz Heilmann wegen einem unliebsamen Artikel kurzerhand die deutsche Domain von wikipedia sperren ließ.

Wer die Freiheit des Internet verteidigen will, hat eigentlich am 7.6. und am 27.9. nur eine Wahl: Grün!