Schlagwort-Archiv: Papst

Debattenbeitrag: Freiheit zur und von Religion

Foto: "Skip The Budgie" (Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Foto: „Skip The Budgie“ (Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Volker Beck & Robert Zion

Femen auf dem Altar im Kölner Dom. Empörung über die Entlassung einer geschiedenen Erzieherin eines katholischen Kindergartens, Streit zwischen Papst und dem Satiremagazin Titanic vor Gericht, Lob und Tadel für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. Das wachsende Unverständnis zwischen Gläubigen und überzeugten Atheisten zeigt, wir brauchen angesichts gewachsener weltanschaulicher und religiöser Pluralität eine neue Verständigung über das gesellschaftliche Miteinander.

Nur wenige Themen bieten ein ähnlich explosives Konfliktpotential wie Debatten zwischen Anhängerinnen und Anhängern verschiedener religiöser und/oder säkularer Gruppen. Nicht nur in unserer Partei nehmen diese Konflikte beständig zu. Wir müssen deshalb Fragen klären: Welche Stellung haben Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in unserer Gesellschaft? Ist unser Religionsverfassungsrecht noch zeitgemäß? Wo gibt es Reformbedarf und wo muss die religiöse Freiheit vor Einschränkungsversuchen durch Andersdenkende verteidigt werden?

Kompromisse sind schwierig und selten für alle Seiten zufrieden stellend. Wichtiger als die Positionierung bei einzelnen Streitfragen ist die Entwicklung eines programmatischen Kompass für die Religionspolitik. Respekt, weltanschauliche Neutralität des Staates und die drei Dimensionen der Glaubensfreiheit scheinen uns geeignete Grundlagen um die grüne Religionspolitik gemeinsam auszurichten.

Grüne Politik ist immer auch eine Politik der Freiheit. Deshalb darf die Größe religiöser oder säkularer Institutionen und Bewegungen kein Argument für oder gegen die Formulierung von notwendiger Kritik sein, gerade wo gesellschaftliche Macht Freiheiten beschränkt. Insbesondere dann, wenn sich Religionsgemeinschaften als Arbeitgeberinnen einen Wirtschaftszweig aufbauen, die mancherorts hegemonial sind. Weiterlesen

Steht die römische Sexuallehre vor einer kopernikanischen Wende?

Foto:  danny.hammontree (CC BY-NC-ND 2.0)

Foto: danny.hammontree (CC BY-NC-ND 2.0)

Auch wenn deutsche Agenturen titelten (KNA = Katholische Nachrichtenagentur):  „Papst nimmt Schwule in Schutz“ oder (dpa) „Papst Franziskus will offeneren Umgang mit Homosexuellen“, ist weniger passiert als die Schlagzeilen glauben machen. Was Papst Franziskus zum Thema „Homosexualität“ sagte, war alles andere als revolutionär. Das meiste davon findet sich im KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE. Dennoch macht es Hoffnung und es lohnt sich genau hinzuschauen. Zumindest einen doppelten Irrsinn seines Vorgängers scheint er  zu den Akten nehmen zu wollen.

Dass Franziskus mit der gleichen Banalitäten wie Aussagen aus dem Katechismus Schlagzeilen macht, zeigt zweierlei:

  1. Das Pontifikat Benedikts und der  vorherige Einfluss Kardinal Ratzingers als Vorsitzender des Heiligen Officiums  auf das römische Lehramt war eine dunkle Zeit für die Kirche.
  2. Die Hoffnung in der Welt und in der römischen Weltkirche ist enorm, die katholische Kirche möge von Ihrer Aquinischen Sexuallehre lassen und sich den Menschen und ihrem Leben zuwenden. Weiterlesen

Die Freiheit des (Christen)Menschen und die Sexuallehre der römisch-katholischen Kirche

Der Papst vermag in seiner (Menschenrechts)Politik nicht zwischen der althergebrachten Sexuallehre und der römisch-katholischen Kirche zu unterscheiden. Da wo der Vatikan seine Vorstellungen von Familienrecht und Sexualpolitik zur Grundlage der für alle geltenden Gesetze zu machen sucht, verletzt er auch die negative Glaubensfreiheit aller derjenigen, die nicht an die Lehren seiner Kirche glauben können oder wollen.

Das II. Vaticanum war weiter als das Lehramt heute

Rom war schon einmal weiter. Das 2. Vatikanische Konzil hat in seiner großen Erklärung zur Religionsfreiheit DIGNITATIS HUMANAE erstmals die theologische Bedeutung der Glaubensfreiheit für die Kirche formuliert.

„Weil die Menschen Personen sind, d.h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, werden alle – ihrer Würde gemäß – von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen. Der Mensch vermag aber dieser Verpflichtung auf die seinem eigenen Wesen entsprechende Weise nicht nachzukommen, wenn er nicht im Genuss der inneren, psychologischen Freiheit und zugleich der Freiheit von äußerem Zwang steht. Demnach ist das Recht auf religiöse Freiheit nicht in einer subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrem Wesen selbst begründet. So bleibt das Recht auf religiöse Freiheit auch denjenigen erhalten, die ihrer Pflicht, die Wahrheit zu suchen und daran festzuhalten, nicht nachkommen, und ihre Ausübung darf nicht gehemmt werden, wenn nur die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt bleibt.“

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Objektiv ungeordnet: Das Verhältnis des Vatikan zu den Menschenrechten

Allerorten wird über die Papstrede im Bundestag diskutiert. Der Deutsche Bundestag hatte mit den Stimmen von Linken, SPD und Koalition im Ältestenrat Einvernehmen zur Einladung des Bundestagspräsidenten hergestellt. Damit verließ der Bundestag seine restriktive Praxis bei der Einladung an ausländische Staatsgäste: Bisher sprachen im Plenum nur Repräsentanten Israels und der ehemaligen Kriegsgegner – eine wichtige Geste der Aussöhnung.

Ich erwarte, dass der Bischof von Rom sich seiner Rolle als ausländischer Staatsgast bewusst ist und der Versuchung widersteht, sich in deutsche Innenpolitik einzumischen: Wir verbitten uns die Einmischung der deutschen Innenpolitik. Das deutsche Familienrecht und unsere HIV-Prävention geht den Staatsgast nichts an!

Stattdessen wäre aber in Sachen Menschenrechte vom Vatikanstaat dringend eine Klarstellung erforderlich:

Immer wieder setzt sich Rom aktiv für die Diskriminierung von Lesben und Schwulen aktiv ein. Ob Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen, Antidiskriminierungsgesetze oder rechtliche Regelungen für homosexuelle Partnerschaften, immer war Rom Gegner der Verwirklichung unserer Menschenrechte.

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Post-it War im Bundestag

PostitWar Bundestag Berlin
La guerre des Post-it oder auch Post-it War ist gerade der letzte Schrei in Frankreich. Das Prinzip ist einfach. Es ist ein Wettkampf um das ausgefallenste, kreativste und aufwändigste Post-it-Motiv auf dem Bürofenster. Also das Richtige für eine Kreativpause während der Arbeit.

Mit meinem Büro-Team haben wir deshalb dem Deutschen Bundestag den Post-it War erklärt. Als Friedenspartei fand diese „Kriegserklärung“ in Form eines Herzens statt und weil wir uns schon auf den Papstbesuch freuen, lächelt nun ein Smiley-Teufelchen das Reichstagsgebäude an.

Wer will es mit uns aufnehmen? Anregungen finden sich auf postitwar.com

Und so funktioniert es:

Konservative suchen nach Bewahrenswertem – Was ist denn hier christlich?

Der Koalition laufen bei den Umfragen die Anhänger in Scharen davon. Die reale Lobbypolitik für Atomlobby und Hoteliers kommt eben schlechter an als die leeren Wahlversprechen von „mehr Netto vom Brutto“. Nachdem der x-te Neustart der Koalition den Motor auch nur weiter stottern lässt, empfehlen viele in der Union zur Mobilisierung des früheren Stammpublikums der Partei: die Schärfung des konservativen Profils und ein paar Schritte nach rechts. Dabei offenbart die CDU, dass sie gar nicht weiß, was sie eigentlich bewahren will. Die Profilsuche wird so zum etwas hilflosen Stochern im Nebel:

Schon länger versucht die Union mit einer rein innenpolitisch orientierten Kampagne für die verfolgten Christen (praktisch folgt dagegen zwar nichts daraus) statt für die Glaubensfreiheit aller religiös Verfolgten evangelikales und konservativ katholisches Milieu an sich zu binden. Gliederungen der Jungen Union wollen die Familien- und Gesellschaftspolitik wieder in Fraktur schreiben, Generalsekretär Gröhe unterstützt Steinbachs Vorschlag, den 5. August, dem Jahrestag der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, für einen nationalen Gedenktag für die deutschen Heimatvertriebenen, und jetzt hat Laschet als Abgrenzung zu den Grünen das christliche Menschenbild entdeckt.

Gegenüber der Welt sagt er in einem Interview:

„Wir müssen die intellektuelle Auseinandersetzung mit den Grünen führen. Das christliche Menschenbild ist der fundamentale Unterschied zwischen uns und ihnen.…

Das christliche Menschenbild ist immer eindeutig. Deckungsgleichheiten sind ja in Ordnung. Aber das Bild vom Menschen als Individual- und Gemeinschaftswesen gleichermaßen fehlt bei den Grünen oft. Dort denken viele entweder kollektivistisch oder liberalistisch.“

Eindeutig an dieser Aussage ist allenfalls eines: Laschet reklamiert für die Union das Christentum, setzt es als Keule gegen die politische Konkurrenz ein, ohne auch nur im Ansatz sagen zu können, was das christliche Menschenbild an praktischer Politik für die Union bedeutet.

Was ist denn an der Unionspolitik nun so besonders christlich? Wofür hat sie sich denn bei wichtigen Fragen entschieden: Für die Bewahrung der Schöpfung oder für die Verlängerung der AKW-Laufzeiten? Oder sehen wir uns die konservative Menschenrechts- und Flüchtlingspolitik an: In puncto Menschenrechtspolitik ist es bei der Union wie im Kino, je weiter die Menschenrechtsverletzungen weg sind, umso klarer werden sie erkannt und verurteilt. Wenn der Flüchtling aber an die Tür klopft, der vor diesen flieht, ist es mit dem Einsatz für Menschenrechte auch schnell wieder vorbei.

Und nun lieber Kollege Laschet, jetzt einmal von Christ zu Christ:

Wir Christen tragen, wenn wir es ernst meinen, unser Christentum nicht als Monstranz vor uns her, denn das wäre sonst ganz unchristlich:

„Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten in den Schulen und an den Ecken auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. Wenn aber du betest, so gehe in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten öffentlich. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viel Worte machen“ (Matthäus: 6 5-7)

Im Übrigen gilt: An ihren Taten, nicht an ihren Worten sollt ihr sie erkennen!

Wenn es um den Schutz von Flüchtlingen, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung von Illegalen, um die Aufnahme von Menschenrechtsverteidigern in Deutschland geht, kann die Union künftig gern beweisen, dass es ihr ernst ist, mit dem christlichen Menschenbild; denn „was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matth. 25:40).

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass man die eigene Politik nicht religiös begründen sollte. Weil der damit verbundene Absolutheitsanspruch etwas so Unbedingtes hat, dass er den demokratischen Diskurs um eine humanistisch begründete Ethik in der Politik tötet. Aber selbstverständlich haben WIR Christen in die ethische Debatte etwas einzubringen, das auch Nichtchristen – Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Baha’i, Säkulare, u.a. –unterschreiben können.

Wir, Bündnis 90 / Die Grünen, sind zwar keine christliche Partei, sondern offen für Menschen aus verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Richtungen. Aber für Christen allemal eine gute Alternative.

Die Weihnachtspost (I)

Die Weihnachtspost (I)

… zu lesen, gehört zu den Tätigkeiten dieser besinnlichen Zeit zum Jahreswechsel.
Dieses Jahr waren darunter viele Mails von konservativen Katholiken. Was bescherte mir diese besondere Zuwendung?

Ein weiteres Kapitel in der nicht enden wollenden Auseinandersetzung um Christentum, oder besser Religion, und Homosexualität:

Glaubensfreiheit und Homosexualität
– Kurz zum Hintergrund

Im Kern dieser Auseinandersetzung geht es um das Verständnis des Menschrechtes der Religionsfreiheit. Die Religions- und Glaubensfreiheit ist eines der zentralen Menschenrechte. Sie wird von vielen in ihrer Bedeutung unterschätzt und nur auf einzelne Aspekte reduziert.
Die Glaubensfreiheit schützt das Recht eines jeden, zu glauben, was man für wahr erkannt zu haben meint, jederzeit zum vermeintlich als richtig und wahr erkannten Bekenntnis zu wechseln, seinen Glauben mit anderen zu feiern, zu bekennen und auch dafür zu missionieren. Aber eben nicht nur:
Sie umfasst auch das Recht aller, die Glaubenswahrheiten anderer nicht glauben zu müssen und sich nicht nach den von anderen – auch wenn sie in der Mehrheit sind – für richtig und wahr erkannten Maximen im eigenen Leben richten zu müssen. Die negative Glaubensfreiheit.

Die negative Glaubensfreiheit ist essentiell für das Miteinander verschiedener Glaubensrichtungen überall auf der Welt. Nicht jede Religion ist irgendwo auf der Welt in der Mehrheit, jede ist aber zumindest irgendwo in der Minderheit. Dann sind ihre Anhänger essentiell darauf angewiesen, dass sie nicht glauben und leben müssen, wie die Religion der Mehrheit es vorschreibt. Von dem Respekt dieses Prinzips hängt die Freiheit der Muslime, Juden, Buddhisten und Hindus bei uns in Europa ab, der Respekt dieses Prinzips garantiert den Christen, Muslimen und Bahá’í in Israel die Freiheit ihrer Religion, und der Respekt dieses Prinzips ist Voraussetzung für das Ende der Christenverfolgung beispielsweise in Indien und einer Reihe mehrheitlich islamischer Staaten.

Nimmt man die negative Glaubensfreiheit ernst, muss es der Politik und Rechtssprechung egal sein, was Religionen, sei es die katholische Kirche oder auch der Islam, von der Homosexualität halten. Lesben, Schwule und Transsexuelle müssen sich nicht nach deren religiösen Lehren richten. Sie müssen sich aller Grundrechte unserer Verfassung und der verbrieften Menschenrechte – einschließlich des Rechts auf Nichtdiskriminierung, der Freiheit, die Ehe mit einem selbst gewählten Partner zu schließen oder ungehindert von rechtlichen Einschränkungen eine Familie zu gründen – erfreuen können, unabhängig vom Einspruch bestimmter Religionsführer. Glaubensüberzeugungen dürfen nicht die Freiheitsrechte von Menschen, die sich nicht nach ihnen richten wollen oder können, beschränken. Wäre es anders, wäre das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit verletzt.

Dennoch hat die katholische Kirche nicht nur in ihrer Geschichte die Menschenrechte der Homosexuellen immer wieder mit den Füßen getreten. Sie bekämpfte erbittert jeden Schritt, bei der Beseitigung der Strafbarkeit der Homosexualität, bei der Angleichung der Schutzaltersgrenzen von Homo- und Heterosexualität, beim Schutz vor Diskriminierungen oder bei der rechtlichen Anerkennung und Gleichstellung homosexueller Partnerschaften.

Zuletzt im Dezember: Frankreich legte der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit Unterstützung von 65 anderen UN-Mitgliedern eine Initiative für die Menschenrechte von Homosexuellen und Transsexuellen vor. In dem Dokument wurde die Strafbarkeit der Homosexualität, Gewalt gegen und Diskriminierung von Homosexuellen und Transsexuellen verurteilt – alles eigentlich menschenrechtliche Selbstverständlichkeiten für Demokratien und Rechtsstaaten –nicht so für den Vatikan! Er bekämpfte den Vorstoß in einer unheiligen Allianz mit den Mitgliedern der Organisation der islamischen Staaten.

Kein Grund zum Wundern und kein Einzelfall: Der römische Nuntius in Moskau, der Botschafter des Papstes bei der Russischen Föderation, hatte dem Moskauer Bürgermeister gratuliert, als dieser mit seinen Demonstrationsverboten das Versammlungsrecht der Homosexuellen mit Füßen getreten hat.
Mit diesen Übergriffen der Kirche auf die Maximen staatlicher Politik verletzt die Kirche nicht nur die Menschenrechte der Homosexuellen, sie stellt auch die Grundlagen der Religionsfreiheit in Frage, die sie sonst für ihre verfolgten Glaubensbrüdern und –schwestern zu recht reklamiert.

Die katholische Sexuallehre:
von Thomas von Aquins Naturrechtslehre zu Ratzingers „Ökologie des Menschen“

Die Katholische Kirche hat in ihrer Sexuallehre von jeher alle Sexualität verdammt, die nicht auf Fortpflanzung ausgerichtet war oder gar außerhalb der Ehe stattfand.
Wikipedia fasst gar nicht untreffend diese Lehre zusammen, die 1975 in dem Lehrschreiben persona humana formuliert wurde: „Homosexualität stehe im Widerspruch zur Funktion der Sexualität in der natürlichen Ordnung, wie sie die Kirche seit Thomas von Aquin in der Naturrechtslehre lehre. Konstitutiv gehöre zur natürlichen Ordnung die Komplimentarität der Geschlechter. Die Geschlechtslust sei dann ungeordnet, „wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird.“ Danach finde die Sexualität ihren Sinn und ihre Würde nur in der Ehe und nur dann, wenn sie auf Fortpflanzung ausgerichtet ist.“ Deshalb hat eine Integration der Homosexuellen in der katholischen Kirche solange keine echte Chance, solange diese nicht eine ethische Neubegründung ihrer Sexuallehre wagt.

Kurz vor Weihnachten wärmt der Heilige Vater in Rom diese ollen Kamellen auf und sorgt mit einer neuen Tirade für Aufmerksamkeit: „Papst: «Schwule vernichten Gottes Werk»“, übertitelten die Medien die u.a. von reuters weltweit verbreiteten Meldungen über die Weihnachtsansprache des Papstes vor der römischen Kurie. (http://www.bazonline.ch/ausland/europa/Papst-Schwule-vernichten-Gottes-Werk/story/12892989). Darin verteidigt er die katholische Sexuallehre erneut und stellt sie gegen Emanzipation und in Konfrontation zu einem neuen ideologischen Feindbild Roms, dem Begriff „gender“. Benedikt sagt darin: „Die tropischen Wälder bedürfen unseres Schutzes, aber nicht weniger bedarf der Mensch als Geschöpf dieses Schutzes, als Geschöpf, dem eine Botschaft eingeschrieben ist, die keinen Widerspruch zu unserer Freiheit bedeutet, sondern deren Bedingung. Große Theologen der Scholastik haben die Ehe, d.h. die lebenslange Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, als Sakrament der Schöpfung bezeichnet, …“

„Die Zeichen stehen auf Konfrontation“, interpretierten nicht nur italienische Homosexuellenverbände die Intervention des Papstes. Auch ich kritisierte die Rede, weil sie den Hass auf Homosexuelle nährt. Die vom Vatikan verbreitete schriftliche Version der Rede enthält keinen direkten Bezug zu Lesben und Schwulen. Dennoch bleibt die Botschaft deutlich. (http://www.zenit.org/article-16725?l=german).

Der Hinweis auf die Enzyklika „humanae vitae“ in der Rede unterstreicht auch den Anspruch des Heiligen Stuhls, solche Überlegungen politisch durchzusetzen. Zur Erinnerung: darin kann man als „Appell an die staatlichen Behörde:“ lesen: „…verhindert unter allen Umständen, daß durch Gesetze in die Familie, die Keimzelle des Staates, Praktiken eindringen, die zum natürlichen und göttlichen Gesetz im Widerspruch stehen.“
Nichts anderes meint der Papst, wenn er etwas verklausuliert in seiner Weihnachtsansprache sagt: Es „kann und darf sich die Kirche nicht darauf beschränken, ihren Gläubigen nur die Heilsbotschaft zu vermitteln. Sie … muss … nicht nur Erde, Wasser und Luft als Geschenke der Schöpfung verteidigen, die allen gehören. Sie muss auch den Menschen vor der Zerstörung seiner selbst bewahren. Es ist notwendig, dass es etwas gibt wie eine recht verstandene Ökologie des Menschen. Es ist keine überholte Metaphysik, wenn die Kirche über die Natur des Menschen als Mann und Frau spricht und verlangt, dass diese Schöpfungsordnung respektiert wird.“ Zu deutsch: Es ist der Anspruch der Kirche auf Gestaltung der Gesellschaftspolitik: mit dem Ziel das Leben aller an der römisch-katholischen Lehre auszurichten, und sich nicht mit der Verkündung der Heilsbotschaft zu bescheiden. Wie das praktisch aussieht illustrierte der Heilige Stuhl in Spanien (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,598582,00.html).

Meine katholischen Brieffreunde

Die Reaktionen meiner katholischen Mailschreiber auf meine Kritik waren geteilt. Die einen meinten, der Papst habe nichts gegen die Homosexuellen gesagt. Die übergroße Mehrheit der Papisten unterstützt ausdrücklich die homophoben Lehren von Benedikt XVI. („Ich bin sehr froh, Herr Beck, dass der Papst diese klaren Worte in einer Welt der Beliebigkeit gegen Gender Mainstreaming und Homosexualität gefunden hat.“) und unterstreicht ihre ausgezeichnete christliche Grundhaltung unter Hinzusetzung von Verbalinjurien wie „Analerotiker“.
Einige meinen die Liberalität des Papstes gegenüber iranischen Mullahs hervorheben zu müssen: „Solange ich im Internet keinerlei Proteste Ihrerseits über Homosexualität in islamischen Staaten wie z.B. die Aussagen* des iranischen Ministers Mohsen Yahyavi (die nicht nur darüber reden, sondern Todesstrafen gegen Homosexuelle vollstrecken) finde, solange erscheint mir ihr Protest gegen den Papst geheuchelt.“ oder äußern direkt den Wunsch, man werde Opfer von antihomosexueller Gewalt („„fahren Sie doch wieder mal nach Moskau und lassen Sie sich einen Nasenstüber verpassen.“
Wer wollte bezweifeln, dass die Rede des Papstes zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt hat?

Es ist höchste Zeit für eine kritische Auseinandersetzung von Menschenrechtsverteidigern und Demokraten mit der katholischen Kirche über das Prinzip der Glaubensfreiheit und seine Beziehung zu den Rechten der Lesben und Schwulen.