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Zweifel am Instrument der Internetsperre angebracht

Zweifel am Instrument der Internetsperre angebracht

Die Bundesregierung strebt bekanntlich eine Blockade von Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten an. Dazu sollen Provider einen Kooperationsvertrag mit dem Bundeskriminalamt schließen. Geregelt werden soll darin, dass das BKA eine Liste von zu blockierenden Seiten zusammenstellt, zu denen der Zugang durch die Provider versperrt werden soll.

So unterstützenswert jedes Engagement zur Bekämpfung von Kinderpornographie auch ist, die Pläne der Bundesregierung werfen erhebliche Zweifel ob ihrer technischen Realisierungsfähigkeit auf. Experten warnen auch vor der Gefahr, dass das Instrument peu a peu auf andere Bereiche ausgedehnt wird.

Ziel muss sein, Kinderpornographie aus dem Netz zu verbannen. Man darf sich nicht damit zufrieden geben, lediglich den Zugang zu den Inhalten zu erschweren.

Ich habe die Pläne der Bundesregierung zum Anlass genommen, um die federführende Bundesfamilienministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen nach Einzelheiten zu fragen.

In der Fragestunde am 21.01.2009 (vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16199.pdf) habe ich die Ministerin u.a. folgendes gefragt:

„Können Sie sagen, welche Länder an vorderster Stelle liegen, was das Einstellen von Kinderpornografie ins Internet angeht, und welche Initiativen die Bundesregierung ergriffen hat? Mit den betreffenden Ländern müsste man sich außenpolitisch ins Benehmen setzen, damit die Rechtslage geändert wird. Sie haben nur von Ächten gesprochen. Es geht aber um die Frage, ob es strafrechtlich verboten ist und wie die Verbote umgesetzt werden. Welche Länder fallen als Hauptprovider auf? Wenn Sie die erwähnte andere Strategie verfolgen, dann müssten sie Ihnen unmittelbar präsent sein.“

Frau von der Leyen antwortete wie folgt:
„Sie fragen nach den unterschiedlichen Rechtslagen. Es gibt rund 200 Länder auf unserem Globus. Wenn ich sage, dass Kinderpornografie in der Hälfte der Länder geächtet ist, dann bedeutet das, dass dieses Thema in irgendeiner Form in der Rechtssystematik dieser Länder aufgegriffen worden ist. Ich kann Ihnen aber jetzt über diese 100 Länder und die Rechtssystematiken im Detail keine Auskunft geben.“

Auf meine Frage, „Können Sie das im Nachgang machen?“, versprach mir die Ministerin: „Im Nachhinein gerne. Es gibt Daten von der Weltkonferenz in Rio.“

Erst auf mehrfaches telefonisches Nachfragen im Familienministerium erhielt ich rund einen Monat (!) später vom parlamentarischen Staatssekretär Dr. Hermann Kues folgende Informationen:

Download des Schreibens von Staatssekretär Kues

Eine Antwort, die mich alles andere als zufrieden gestellt hat. Sogleich habe ich beim Ministerium nachgehakt und in einem erneuten Schreiben vom 19.02.2009 – auf das ich bis heute keine Antwort bekommen habe – folgendes gefragt:
„Bedauerlicherweise sind meine Fragen aus der Fragestunde nicht ansatzweise beantwortet worden. Ich hatte sowohl nach internationalen Vergleichsdaten hinsichtlich der Einstellung von Kinderpornografie ins Internet gefragt als auch nach den unterschiedlichen Rechtslagen. Die Ministerin hatte hier auf Informationen „von der Weltkonferenz in Rio“ verwiesen, die Sie mir versprach „im Nachhinein“ zukommen zu lassen.
Zum besseren Verständnis präzisiere ich gerne noch einmal meine Fragen:

Welche Länder sind die quantitativ wichtigsten Länder (mindestens nach Bedeutung die 50 wichtigsten) als Einsteller Bereitsteller von Kinderpornographie?

Wie ist die Rechtslage in diesen Ländern jeweils?
Warum wird Kinderpornographie nicht strafrechtlich verfolgt?

Welche konkreten diplomatischen Demarchen hat die Bundesregierung wann ggf. gegenüber diesen Ländern unternommen, um eine Verfolgung dieser Straftaten anzuregen oder durchzusetzen? Was war die Reaktion jeweils?

Wurden von Ländern, die Internetsperren praktizieren auch deutsche Seiten gesperrt? Warum und welche?“

Wer diese Fragen nicht zügig beantworten kann, befand die Alternativen zu einer Internetsperre offensichtlich nicht der Prüfung wert.
Ich bleibe gespannt auf die Antwort.
In der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sind wir bei dem Instrument der Internetsperre sehr skeptisch.

Fortsetzung vom 31.03.2009

Bis heute keine Antwort – am 31.03.2009 folgende Schriftliche Fragen eingereicht:

1.) Auf welche Weise, insbesondere im Hinblick auf Zeitpunkt, Inhalt, Form, Grund für Verzögerung der Beantwortung, wird die Bundesregierung meine Fragen (http://beckstage.volkerbeck.de/2009/03/06/zweifel-am-instrument-der-internetsperre-angebracht/) aus der Befragung der Bundesregierung vom 21.01.2009 und aus meinem Schreiben an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Dr. Ursula von der Leyen vom 19.02.2009 beantworten und warum konnte die Bundesregierung bislang keine Aussage dazu machen, was sie gegen die Einstellung von Kinderpornographie ins Internet im Rahmen der internationalen juristischen Zusammenarbeit unternimmt und welche Länder als Haupteinsteller Länder (Sitz des Servers=Tatort / Rechtslage am Tatort) das Problem hauptsächlich verursachen?

2.) Wie reagiert die Bundesregierung auf die Aussage, dass die meisten bislang wegen Kinderpornographie gesperrten Seiten auf Servern in USA, Kanada, Australien, Europa, einschließlich Deutschland (sic!), (http://scusiblog.org/?p=330 ; http://netzpolitik.org/2009/schwedische-filterliste/) liegen sollen und diese nicht aus dem Netz genommen, sondern nur gesperrt werden, und was will sie konkret unternehmen, damit in diesen Regionen und in Deutschland überhaupt keine kinderpornographischen Inhalte mehr in das Internet eingestellt werden bzw. die Einstellung unterbunden und verfolgt wird?