Das Gerede vom Schweigen ist Bullshit

Günter Grass sendet in allen relevanten Medien. Die Mär von der „Meinungsdiktatur“ ist Bullshit. (Foto: sebibrux)

Es ist vollkommen egal, ob man Catherine Ashton dafür kritisiert, dass sie in einem antisemitischen Reflex bei toten jüdischen Kindern in Frankreich offenbar relativierend versucht daran zu erinnern, dass in Gaza auch Kinder sterben,  oder Günter Grass ein als Gedicht verbrämtes „Man muss doch einmal sagen dürfen“ des antisemitischen Stereotyps eines vermeintlichen Tabus der Kritik an israelischer Politik kolportiert . Es dauert nicht lange, bis eine „unterdrückte Meinung“ zum lautstarken Shitstorm bläst. Man würde, so der friedensbewegte Bürger mit dem überzeugten Neonazi im Chor, in „Arschkriecherei für Israel“ sich dem „Klientel der Juden anbiedern“ und nur die „Kritik der gleichgeschalteten Medien nachplappern“ (Zitate aus Emails der letzten Tage). Selbst aus den Reihen der SPD wird in NPD-ähnlichen Formulierungen beklagt, dass man Israel nicht kritisieren könne, „ohne dafür mit der Antisemitismuskeule verdroschen zu werden und ein entsetztes Aufheulen der vermeintlichen Gutmenschen zu provozieren.”  Nun kann man von Henryk M. Broder halten was man will, er hat dies aber einmal so polemisch wie zynisch sehr treffend beschrieben: „Antisemitismus fängt bei sechs Millionen toten Juden an. Alles drunter ist Friedenspolitik.“

Was ist eigentlich Antisemitismus?
Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber legt beispielsweise eine brauchbare Definition vor:

Darunter versteht man eine Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden geltenden Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen, um damit eine Abwertung, Benachteiligung, Verfolgung oder gar Ermordung ideologisch zu rechtfertigen. Anders formuliert: Es handelt sich um eine Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind.

Die heute gängigste Form des Antisemitismus ist der Antizionismus, den Pfahl-Traughber wie folgt definiert:

Antizionismus, das ist die „Ablehnung des Existenzrechtes des Staates Israel, also die Negierung des Anspruchs von Juden auf nationale Selbstbestimmung. Bewusst oder unbewusst läuft diese Position auf die Aufhebung einer gesicherten Zufluchtsstätte für die Juden und eine damit verbundene Verfolgung hinaus. Als abgeschwächtere Variante des Antizionismus kann die pauschale „Verdammung“ Israels als negativer Kraft gelten, welche nicht notwendigerweise mit der ohnehin unrealistisch erscheinenden Forderung nach Aufhebung der staatlichen Existenz verbunden sein muss. So wird der Staat der Juden als angeblich alleiniger Verantwortlicher für den Nahost-Konflikt verantwortlich gemacht, wobei häufig diffamierende historische Gleichsetzungen selbst mit dem deutschen Nationalsozialismus erfolgen. Aufgrund der in beiden Formen auszumachenden rigorosen Feindschaft gegenüber den Juden und dem Staat Israel steht hinter solchen Auffassungen von Antizionismus mitunter auch ein latenter Antisemitismus. Gleichwohl lässt sich keine pauschale Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus vornehmen.“ (Quelle)

Antisemitismus in 3D
Man kann selbstverständlich die Politik der israelischen Regierung, insbesondere der aktuellen, kritisieren, ohne das man sich je der Kritik des Antisemitismus ausgesetzt sieht. Es ist schon peinlich, eine solche Selbstverständlichkeit aussprechen zu müssen. Im so genannten 3-D-Test (Dämonisierung – Doppelstandards – Delegitimierung) werden die selben Kriterien auf den Antizionismus angewandt, die auch seit Jahrhunderten die verschiedenen Dimensionen des klassischen Antisemitismus identifiziert haben.

Die Solidarität zu Israel ist ein Grundsatz deutscher Außenpolitik. Deshalb ist klar, dass Aufgrund dauerhafter Drohungen Israel darauf angewiesen ist, sein Existenzrecht verteidigen zu können. Das Atomwaffenprogramm des Iran und die antisemitische Vernichtungsrhetorik der iranischen Führung gegen Israel ist eine ernste Bedrohung. Ihr muss international mit verstärktem Druck auf ein Einlenken des Iran nicht-militärisch begegnet werden. Man ist sich aber auch parteiübergreifend einig (bis auf die Piraten, die haben entweder keine Ahnung oder noch keine Meinung), dass trotz der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm man Israel vor einem Militärschlag gegen den Iran nur warnen kann. Diese Position wird auch von Militär- und Geheimdienststrategen getragen, wie beispielsweise dem ehemaligen Chef des Mossad, Meir Dagan.  Auch die Siedlungspolitik in der Westbank wird von keinem relevanten politischen Akteur auf diesem Planeten unterstützt. Mir wurde für diese Position bei Gesprächen mit der israelischen Botschaft oder bei Reisen nach Israel noch nie eine antisemitische Haltung vorgeworfen, obwohl man diese Politik sehr kontrovers und emotional diskutieren kann.

Grass verkennt in seinem Gedicht, wie so viele „Israelkritiker“ vor ihm, die besondere Lage Israels in der Region. Israel ist der einzige Staat der Welt, dessen Existenzrecht von einem Teil seiner Nachbarn und dem Iran in Frage gestellt wird. Die Drohung des Irans allein als Maulheldentum abzutun, ist – auch angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen des Iran im Inneren – mehr als naiv. Zur Besonnenheit gehört es auch, reale Gefahren für die Existenz Israels zu erkennen und ernst zu nehmen. Nun mag Grass subjektiv nicht antisemitisch sein, aber was er aufgerührt hat, ekelt einen schon an.

Inzwischen ist eine umfangreiche, fundierte Kritik am Grass-Gedicht in Blogs und Zeitungen erschienen. Seine Worte in Interviews, die Reaktionen hierauf und seine Wahrnehmung davon funktionieren im Muster einer selffullfilling-prophecy. Der Literaturnobelpreisträger Grass ist auf seine alten Tage tief gefallen. Marcel Reich-Ranicki bezeichnete das Gedicht in einem lesenswerten FAZ-Interview als politisch und literarisch wertlos und bei genauerer Betrachtung lässt Frank Schirrmacher von diesem Gedicht wenig gutes übrig.

Grassarrazin: Die Mär vom Tabu-Bruch in der Meinungsdiktatur ist Bullshit!
Das antisemitische Stereotyp eines vermeintlichen Tabus der Kritik an israelischer Politik ist geradezu lächerlich und kommt viel zu Oft mit dem „Man muss doch einmal sagen dürfen“-Wunsch und der Sehnsucht nach einem Schlussstrich im Schlepptau. Hier liegt auch der Schnittpunkt der Debatten um Grass und Sarrazin. Während Grass mit seinem Gedicht in der Süddeutschen Zeitung und den Tagesthemen ein maximaler medialer Erstschlag gelang, konnte sich Sarrazin über Unterstützung aus der Bild-Zeitung und Einladungen in nahezu allen TV-Talkshows erfreuen. Alan Posener erkennt ebenfalls eine Grassarrazin-Symbiose, in der „ein Tabu gebrochen“ werden würde, obwohl „die Israelkritik ebenso wie die Kritik der Zuwanderung seit Jahrzehnten zu den festen Bestandteilen des medialen und politischen Diskurses“ gehöre. Und Patrick Gensing argumentiert zudem, dass sich Grass nicht einmal mehr – wie Sarrazin – pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse bedienen müsse, denn er behauptet es einfach so.

Grass möchte sich nun als Opfer einer gleichgeschalteten Presse fühlen und mobilisiert deshalb mit antisemitischen Stereotypen. Sein Gerede vom Schweigen ist bullshit. Nicht die Warnung an Israel vor einem Militärschlag, sondern die Behauptung, man dürfe sich dazu nicht frei äußern, sondern müsse schweigen, ist die Kolportage eines antisemitischen Propaganda-Stereotyps. Damit stilisiert er sich zum mutigen Tabubrecher.

Einreiseverbot: unsouverän und demokratisch nicht klug
Die Verärgerung in Israel mag man gut verstehen können. Grass zeigt sich ignorant gegenüber der tatsächlichen Bedrohung Israels durch den Iran, den ständigen Angriffen auf Israels Staatsgebiet durch Raketen aus dem Gaza-Streifen und die Infragestellung seines Existenzrechtes durch den Iran und seinen verbündeten in der Region. Zudem hat er sich als vermeintlicher Tabubrecher eines Israelkritik-Verbotes geriert und damit sich eines antisemitischen Propagandainstruments bedient. Das rechtfertigt alles eine harsche Kritik aus Israel und in Deutschland. Dennoch: Ein Einreiseverbot für Grass ist überzogen und falsch. Es passt zu der Linie der aktuellen israelischen Regierung und wie sie mit Kritik und Streit auch im eigenen Lande umgeht. Das ist aber unsouverän und demokratisch nicht klug.

55 Gedanken zu „Das Gerede vom Schweigen ist Bullshit

  1. Ulf Dunkel

    Lieber Volker,

    dieser Text von Dir wirkt auf mich wie eine zwar intellektuell hoch angesiedelte, aber dennoch trotzige Rechtfertigungsrede des Kritikers, der immer noch stur behauptet, Grass’ Gedicht sei antisemitisch gewesen. Es enthält weder die Buchstaben „jud“ noch „jüd“, sondern spricht nur von Israel – (und meint damit die jetzige Regierung, wie fast allen auch vorher klar war, wie Grass aber aufgrund der öffentlichen Kritik an seinem Gedicht nochmals klarstellte). Und deine zusammengesuchten Erklärungen für Antisemitismus belegen zudem, dass das Gedicht eben NICHT antisemitisch war.

    Ich respektiere Deine Meinung zu Grass, kann sie aber rein aus sachlichen Gründen überhaupt nicht teilen. Nimm doch einfach mal für nen Moment ne andere Brille.

  2. Lutz

    Sehr geehrter Herr Dunkel,

    im Gegensatz zu den Ausführungen von Herrn Beck, sind die von Ihnen genannten Kriterien zur Definition von Antisemitismus (Text enthält die Worte jud/jüd und spricht nicht von Israel) wirklich intellektuell niedrig angesiedelt.

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  5. NeoVG

    Dieser Text wirft in mir eine Frage auf: Wenn Kritik am Staate Israel sofort einem antisemitischen Stereotyp entspricht, ist es dann überhaupt möglich, die Politik des Staats zu kritisieren? Oder ist Israel über alle Kritik erhaben? Wenn ja: Warum? Und gibt es dann auch andere Staaten, die aufgrund der Historie über alle Kritik erhaben sind? Warum nicht?

  6. Kaster

    Ein Zitat von PI-Broder bringen. Aber dann von Doppelstandards sprechen. Finde den Fehler.

  7. Volker Beck Artikelautor

    @NeoVG: Hand aufs Herz: Sie haben den Text nicht gelesen.(Falls zuviel Text für Sie, bitte „Antisemitismus in 3D“ lesen, die 2. Zwischenunterschrift)

  8. Ulf Dunkel

    @Lutz: Es gibt einen gravierenden sprachlichen Unterschied zwischen „Jude, jüdisch“ und „Israel“. Da Grass nicht mit einer Silbe von Juden, sondern von Israel spricht, ist für mich von Anfang an nach aufmerksamer Lektüre des Gedichts klargewesen, von wem er spricht, nämlich von der aktuellen israelischen Regierung und nicht von „den Juden“ allgemein.

    Putzig in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass anscheinend die meisten Juden im vorderen Orient nicht in Israel, sondern im Iran leben. Aber das nur am Rande.

  9. Widmann

    Sehr geehrter Herr Beck,
    ihrer Argumentation und dem Veriß des sogennanten Gedichts von Grass kann ich zustimmen, auch wenn ich für Herrn Grass gerne noch den Verdacht nur die israelische Regierungspolitik kritisieren zu wollen, aufrecht erhalten will.
    Was ich aber auch bei Ihrer Argumentation wieder als „blinden Fleck“ schmerzlich erkennen muß, ist die Nicht-Thematiesierung des israelischen Atomwaffenpotenzials. Israel hat meines Wissens im Gegensatz zum Iran den Atomwaffensperrvertrag nie unterschrieben. Untersuchungen oder Kontrollen in Israel fanden nie statt. Der Iran oder der Irak unter Hussein scheinen und schienen diese Kontrollen zu boykottieren oder zu unterlaufen. Israel: „die einzige Demokratie der Region“ wird offenbar nicht mal mit unangenehmen Fragen der IAEO oder der deutschen Regierung oder der deutschen Opposition konfrontiert. Sehr Schade! In meinen Augen ein Versagen des „verläßlichsten Partners Israels in der EU“.
    Auch die Drohung der arabischen Nachbarn Israels Existenzrecht in Frage zu stellen (dazu gehören Jordanien, Libanon, Syrien -aus den gegeben Vorkommnissen und Ägypten z.Z. wohl nicht) stellt Israels Waffenpotenzial und die denkbare Zerstörung der Region in ein fragwürdiges Licht. Wird im Nahen und Mittleren Osten das Abschreckungspotenzial à la Kalter Krieg durchzuhalten sein?
    Sehr geeehrter Herr Beck, doch auch Israel wohlgesonnene Menschen zucken bei dem sehr schnell gezückten Antusemitismusvorwurf zurück und die Reaktion der israelische Regierung ist in ihren Auswirkungen verheerend. Sie bestätigt alle Vorurteile und leider auch die doofsten.
    Gruß Jörg Widmann

  10. Martin

    Der Text war wie vieles zu dem Thema
    Iran-Israel-Antisemitismus nichts sagend.

    Und leider auch bestätigend, dass Meinungsfreiheit
    und Vernunft hier schnell an die Grenzen stößt.

    Es bleibt wohl dabei, dass wir gezwungen sind gegen unsere eigenen
    Gesetze vorzugehen, wie z.B. den U-Boot Lieferungen an Israel, die wir auch noch
    mitfinanzieren (müssen?).

    Wie so oft, zeigt sich an dieser Debatte die Doppelmoral.
    Bei jeder Israel Kritik wird die Antisemitismuskeule geschwungen.
    Die letztendliche widerspruchslose Hinnahme aller Tätigkeiten Israels bedeutet eine
    weitere Unterwerfung fremder Mächte, neben dem Finanzmarkt Diktat.

    Von welchen demokratischen Werten wollen wir den dann noch sprechen,
    die uns angeblich von anderen Personen und Systemen abgrenzen sollen?

  11. Anna-Maria von Hassleben

    Es ist dies einer jenen Versuche, dem mündigen Bürger ein x für ein u vorzumachen. Ist auch nicht anders zu erwarten gewesen.
    Es soll allen Ernstes dargestellt werden, dass bisher, eine, wie auch immer geartete Kritik an Israel möglich war.
    Wenn unsere Politiker nicht so unsagbar träge, oder soll ich sagen faul, gewesen wären, dann hätte ein Blick in die Kommentare der entsprechenden Medien denjenigen eines besseren belehrt. Es ist bezeichnend, wenn hier in den Foren geschrieben wurde: ‚mal sehn wie lange das Forum offen bleibt‘ oder auch ‚das ist ja das erste Mal, dass‘. Auch haben Sie bis vor kurzem keine, oder nur wesentlich gekürzte, Leserbriefe zu diesem Thema gefunden.
    Es geht bei dem Drum und Dran auch gar nicht um Grass, es geht darum, dass eine wichtige Person so etwas öffentlich gemacht hat. Die Reaktionen von Grohe bis Westerwelle, haben uns hinlänglich gezeigt, was in Deutschland Kritik an der Politik Israels wert ist.
    Es geht auch, Kritiker öffentlich herab zu würdigen, so wie in der DDR und anderer Staaten. Und das heutige Deutschland bildet dabei keinerlei Ausnahme, nur, dass die Kritiker nicht staatlich verfolgt werden. Und das ist auch nicht gesichert, siehe BND.
    Voller Verachtung sage ich Ihnen und den anderen „Öffentlichen“, schämt euch.

  12. Michail Bulgakow

    Der ewige Maulheld Grass nennt den Blutsäufer und Holocaust-Leugner Mahmud Ahmadinedschad verniedlichend einen „Maulhelden“. Sein nicht sehr philosemitischer linker und rechter Intellektuellen Schwarm entfacht in eigenen Zeitungen und Blogs einen rot-braunen Shitstorm nach dem anderen im Stile eines : „Das wird man doch noch mal sagen dürfen – Stammtisches.“ Beim Zwangsbezahl-TV fordert ein völlig durchgeknallter WDR Mann den Friedensnobelpreis für den ehemaligen SS- Mann. Mit einem klitzekleinen Räuspern und sehr diskret verweist der mediale Grass -Schwarm auf den „ Beifall von der falschen Seite“. Gemeint ist das elende Jubilieren von Neo-Nazis und Islamisten nicht nur aus dem Iran zur Grass-Suada. Nie zuvor ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte von extremen Rechten und Linken gemeinsam die SS Mitgliedschaft eines Deutschen so auf unschuldiges Kindergartenniveau runtergebracht worden. „Ach der kleine Günter, er war doch noch blutjung, irgendwie ist er da reingerutscht in die Uniform. Nie gab er einen Schuss ab (nach eigenen Angaben). Hauptsächlich trollte er angsterfüllt durch den Wald und sang „Hänschen klein“. Wer Augenzeugenberichte, Filmdokumentationen und Bücher gerade über die letzten Tage und Wochen vom Ende des Dritten Reichs sieht, hört oder liest, der wird zugeben müssen : Beim haltlosen fanatisierten Morden waren die jungen Männer zwischen 14 Jahren und 18 Jahren die Schlimmsten. Ein SS Trupp mit jungen Leuten, der, die bei einer katholischen Bäuerin versteckte Charlotte Knobloch entdeckt hätte, der hätte keine Kinderlieder gesungen, er hätte gemordet. Mit entsetzlichen Eifer hing man aufgegriffene Soldaten und Zivilisten ohne jede Anhörung und Gerichtsverfahren. Da war wenig Unterschied festzustellen im Verhalten zu heutigen afrikanischen „Kindersoldaten“. Vielleicht sollte einer der grassschen Shitstorm -Intellektuellen gelegentlich die Magazine eines seiner Erb-Väter durchlesen oder die beigelegten DVD´s anschauen, er könnte viel über die mörderische Unbarmherzigkeit junger Soldaten lernen.

  13. D9

    Wer, wie Ulf Dunkel, meint, es genüge, das Wort Jude durch Israel zu ersetzen, um sich des Antisemitismusvorwurfs zu entledigen, ist das beste Beispiel für die miese Tour der sogenannten Antizionisten. Der Etikettenschwindel geht üblicherweise mit vollkommener Ahnungslosigkeit von den Verhältnissen in Israel und dem Nahen und Mittleren Osten einher – etwa mit der absurden Behauptung, im Iran lebten mehr Juden als in Israel. Nur um das mal klarzustellen: In Israel leben über 6 Millionen Juden, im Iran noch 25.000. Die Dummdreistigkeit solcher Personen ist wirklich immer wieder faszinierend.

  14. Martin

    Danke für den Beitrag. Erfreulich zu sehen, das es nicht nur rotbraun Grüne gibt.

  15. Volker Beck

    Für manche scheint ein Text gar nicht nötig zu sein:
    2 Punkte der Kritik an der aktuellen Israelkritik werden hier als politisches Allgemeingut hingestellt:
    Die Kritik an der Siedlungspolitik und die Warnung vor einem Angriff auf den Iran.

    Wie man da weiter von einem Kritikverbot und Tabu schwadronieren kann, ist nicht nachvollziehbar.
    Es sei denn braucht es für die antizionistische Weltsicht.

  16. supi druff

    @dunkelulf: „Putzig in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass anscheinend die meisten Juden im vorderen Orient nicht in Israel, sondern im Iran leben. Aber das nur am Rande.“

    voll investigativ… wow… schon einen deppen gefunden, der das glaubt?

    ca. 5 mio (5 mit sechs nullen) juden leben in israel, schätzungsweise 25tsd (25 mit drei nullen) juden im iran. aber was sind schon zahlen, wenn man fest ist im glauben…

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  19. Voss

    Sehr geehrter Herr Beck,
    es kommt oft vor, dass ich mit Ihrer Politik und auch mit Ihrer Art diese auszuüben Probleme habe. Zumal Sie einer Partei angehören, in der ein Ströbele Doppelstandarts fährt, die man nur als Schlag ins Gesicht diverserer Verbrechens- und Kriegsopfer sowie Angehörigen der christlichen Religionen bezeichnen kann.

    Diesmal aber haben Sie meine volle Zustimmung und auch die ruhige, sachliche und erörternde Art, in der Sie dies transportieren empfinde ich als wohltuend.
    Ich hoffe, ich darf einen Hinweis geben, der vielleicht nützlich ist. In der Diskussion ob Israelkritik verboten oder tabuisiert sei sind Beispiele für geleistete Israelkritik mehr als sinnvoll. Momentan wird meist nur die Begegnung der Verteidigungsminister vor wenigen Wochen angeführt. Dabei wimmelt es von Kritik.
    Neben dutzenden Artikeln, selbst im Springerverlag, welche die Siedlungspolitik Israels seit Jahrzehnten kritisch kommentieren fällt mir da bespnders die Vielzahl an Dokumentationen ein, die Ariel Scharons wirken als Offizier und als Premier Israels kritisch darstellten und im öffentlich-rechtlichen Fernsehn liefen.
    Auch Kanzlerin Merkel hat das ihre bereits getan, als sie die Auslieferung eines U-Bootes vor gar nicht langer Zeit behinderte, um Druck auf Israel in Sachen Siedlungsbau und Palästinenserverhandlungen auszuüben.
    Selbst vor Jahrzehnten war Israel permanenter Kritik ausgesetzt. So gab es wenig an Berichten über die RAF und die Palästinenser, als sie in den 70ern ein französisches Flugzeug nach Entebbe enführten und dort wie in alten Zeiten Juden und Israel „selektierten“ (die Selektion nahm ein DEUTSCHER! vor), die Zeitungen überschlugen sich aber, als ein israelisches Sonderkommando die Geiseln befreite. Keine Glückwünsche, kein Jubel sondern Kritik an der Verletzung der Hoheitsreche eines souveränen Staates wurden laut, selbst als Vertreter dieses Staates die im Krankenhaus liegende und darum unbefreite ältere Geisel Dora Bloch (Überlebende eines KZs) ermordeten.
    Und wer erinnert sich nicht an den Aufschrei der Öffentlichkeit wie der Medien, als Mohammed al-Duraby und sein Vater ins Kreuzfeuer eines Gefechtes zwischen einem israelischen Bunker und angreifenden Palästinensern gerieten. Der Junge soll dabei von Israelis getötet worden sein, erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass dies kaum möglich gewesen ist und viele Informationen von den Palästinensern gefälscht wurden. So wurde ein anderes totes Kind als Mohammed al-Duraby ausgegeben und mit großem Theater zu Grabe getragen. Die Richtigstellung fiel in den Medien verhalten aus, noch heute gilt der Junge als Symbol israelischer Ruchlosigkeit. Jeder größere Sender berichtete seinerzeit darüber.
    Oder das Medienecho auf die Ereignisse an Bord der Mavi Marmara. Keine Zeitung die nicht kritisch über das Entern berichtete, allen voran Spiegel und Stern.
    Erst im letzten Jahr berichteten mehrere Zeitungen wiederholt über die Probleme und mangelhaften Lösungen Israels bezüglich der ultra-orthodoxen Kräfte in Israel.

    Diese und dutzende weitere Beispiele kritischer bis anti-israelischer Berichterstattung und Diskussionen über Israel und seine Regierung sollten als Gegenbeleg für die sich derzeit manifestierende Behauptung, Israelkritik würde tabuisiert oder verboten werden, angeführt werden. Zumindest sehe ich dies so. Es würde mich freuen, wenn dieser Hinweis hilfreich war und einfließt.
    MfG
    V.

  20. Paul H. Ertl

    Sehr geehrter Herr Beck,

    ich schätze Ihre Partei gar nicht und Sie (Ihre politische Arbeit) wenig, aber DAS mußte mal gesagt werden. Ich hoffe, daß sich möglichst viele Ihrer Parteifreunde, die heute noch in trüben Wassern fischen, von Ihrer klaren und (für jeden Nicht-Antisemiten) nachvollziehbaren Argumentation überzeugen lassen. Die Siedlungspolitik könnte man allerdings noch sachlicher diskutieren. Sie mag in der Tat einem dauerhaften Frieden nicht förderlich sein (und das darf man selbstverständlich auch sagen), sie ist aber mitnichten das Haupt- (oder gar einzige) Hindernis für einen solchen. Wer das behauptet, hat im besten Fall die Programme der Hamas und ähnlicher „Freiheitskämpfer“ nicht gelesen oder ist – vorsichtig ausgedrückt – böswillig. Ganz unangebracht ist übrigens auch jedes Hyperventilieren der deutschen Politik, wenn Israel z.B. die „Siedlung“ Gilo am Rande Jerusalems erweitert. Gilo wird – falls es jemals zu einem Friedensschluß kommt – per Gebietstausch sowieso zu Israel kommen, die PA weiß dies seit Abfassung der Roadmap und hat überhaupt kein Problem damit.

  21. Citoyen

    Interessant war, was Avi Primor, ehem. Botschafter Israels in Deutschland, gestern in der Maybritt Illner zu berichten hatte. Dort erzählte er, dass Grass der einzige Deutsche gewesen sei, der ihn nach seinem Amtsantritt nicht empfangen habe. Auch Primors Nachfolger Shimon Stein habe sich sieben Jahre lang vergeblich um ein Treffen mit Günter Grass bemüht.

    Das zeigt doch deutlich, dass Grass schon immer ein Problem mit Juden hatte. Auf der Welt gibt es derzeit (wie auch in der Vergangenheit) eine Vielzahl an Konflikten. In vielen dieser Konflikte und Kriege werden unschuldige Menschen von skrupellosen Diktatoren unterdrückt oder getötet. Zu keinem dieser Konflikte hat Günter Grass bisher ein Gedicht geschrieben. Aber wenn es um Israel geht, wird der alte Herr und ehem. Waffen-SS’ler wach und munter. Die Sache mit den Juden lässt ihm offensichtlich keine Ruhe. Durch die Veröffentlichung in internationalen Zeitungen will er, dass die ganze Welt erfährt, wie er über Israel und die Juden denkt. Ich frage mich: was ist das für eine Geisteshaltung, die ihn gerade bei diesem Thema nicht schlafen lässt. Man muss es wohl als Antisemitismus bezeichnen.

  22. Baar

    Sehr geehrter Herr Beck, Sie sind mir schon bei der Mavi Marmara-Geschichte durch ihre Haltung gegen den „israelkritischen“ Mainstream positiv aufgefallen. Ich würde mich freuen, wenn Sie erklären könnten, wie die einstimmige Verurteilung Israels im Bundestag wegen des Stopps der Flotille zu Stande gekommen ist. Wohl ein der schlimmsten Fehlleisungen des Bundestags in seiner Geschichte. Außerdem würde mich interessieren, wie Sie zu den jüngsten Äußerungen Sigmar Gabriels zu Hebron stehen.

  23. Wolfgang Herok

    Guten Abend Herr Beck,

    Herzlichen Dank für Ihre klaren Ausführungen.
    Leider sieht man auch hier bei einigen Kommentaren, das oftmals einfach nicht begriffen wird, oder nicht begriffen werden will, worin der antisemitische Stereotyp verborgen liegt.
    Einige superschlaue behaupten immer und immer wieder, dass Israelkritik als antisemitisch angesehen würde,und begreifen einfach folgendes nicht: Das antisemitische entlarvt sich in Sprüchen, wie : „Wer Israel kritisiert, gilt hier gleich als Antisemit“, … oder: “ man müsse, mit letzter Tinte, das Schweigen brechen und endlich einmal Kritik am Juden staat Israel wagen dürfen…“ etc. pp.
    Hinter solchen Gedanken und Sprüchen verbirgt sich die Krankheit Antisemitismus und nicht in der Kritik an der Politik des Staates Israel.
    Leider ist die Flexibilität dieses Denkens einigen Menschen offensichtlich komplett abhanden gekommen.
    Daher noch einmal und um so mehr:
    Vielen Dank, Herr Beck !

  24. generatoren

    Es bleibt irritierend, wie es Prominenten immer wieder gelingt, dass ihnen wichtigste Thema, um nicht zu sagen, dass einzige Thema, das ihnen wirklich am Herzen liegt, auch immer wieder im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit zu platzieren. Der verdruckste Grass-Text war vor allem dazu angetan über Grass zu sprechen und nicht über eine atomwaffenfreie Welt. Ob der Grass nun antisemitisch argumentiert oder nicht, scheint mir doch zumindest marginalisierbar angesichts des millionenfach gebunkerten Todes.

  25. David Klein

    Der ehemalige SS-Soldat Günter Grass kann aufgrund altersrenitenter literarischer Inkontinenz seine „letzte Tinte“ offensichtlich nicht mehr halten und hat ein trutziges „israelkritisches“ Manifest (er nennt es Gedicht) verfasst, dessen Inhalt sich in einem Satz wiedergeben lässt: Israel gefährdet den Weltfrieden (für seinen ehemaligen Oberbefehlshaber Adolf Hitler erfüllte das „Weltjudentum“ seinerzeit die selben Kriterien).

    Mit einigem Erstaunen stellte ich fest, dass Grass von den meisten normalerweise fast ausschliesslich iraelfeindlichen Medien heftig kritisiert wurde, worauf dieser sich flugs einer ungerechten Hetzkampagne ausgesetzt sah.

    Nun fühlt sich jedoch ausgerechnet der Schweizer Adolf Muschg bemüssigt, als erster Schriftsteller seinem anscheinend zu Unrecht in Ungnade gefallenen Kollegen zu Hilfe zu eilen, was mich als schweizer Jude einigermassen befremdet hat. Doch auch andere Exponenten der eidgenössischen schreibenden Zunft wie Pedro Lenz, Klaus Merz und Lukas Bärfuss verteidigen Grass.

    Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel verunglimpfte Israel unlängst als Apartheidsystem, obwohl Israel der einzige demokratische Rechsstaat im Nahen Osten ist. Araber geniessen aufgrund der israelischen Unabhängigkeitserklärung die gleichen Rechte wie die israelische Bevölkerung, sie sind in der Regierung (Knesset) vertreten, sind als Sportler in israelischen Nationalmannschaften tätig und bekleiden hohe Staatsämter. So hat ein arabischer Richter den ehemaligen israelischen Präsidenten Katzav wegen sexueller Gewalt zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. Man stelle sich dagegen vor, ein israelischer Richter hätte Präsident Mubarak verurteilt. Selbst nach der Gründung eines palästinensischen Staates würden rund 77 Prozent der in Israel lebenden Palästinenser ein Leben in Israel vorziehen. Gesetze, die Juden das Leben in arabischen Ländern erschweren, sind die Regel, nicht die Ausnahme. Saudi-Arabien erlaubt nicht einmal die Einreise jüdischer Besucher, geschweige denn jüdische Beschäftigte aus dem Ausland. Jordanien betreibt eine Politik, die es Juden nicht erlaubt im Land Wohnung zu nehmen. Das ist die wahre Apartheid.

    Der muslimische Scheich Muhammad Hussein, der aktuelle Mufti der PA (Palestinian Authority) von Jerusalem, fordert im Januar 2012 (!) seine Religionsgenossen öffentlich zum Judenmord auf. Angekündigt wurde Hussein mit den Worten: „Seine (Husseins) Worte sind nötig, weil unser Kampf gegen die Affen und Schweine (Juden) ein religiöser Glaubenskrieg ist!“. Die Empörung nach dieser Hetzrede vom 09.01.2012 in Jerusalem, quittierte der Scheich mit der Bemerkung, er hätte „lediglich den Koran zitiert“.

    Warum schweigt hier Pedro Lenz? Scheinen ihm die „politischen Ansichten“ von Sigmar Gabriel womöglich genauso „absolut nachvollziehbar und legitim“ wie diejenigen von Günter Grass? Warum üben Klaus Merz und Lukas Bärfuss hier keine „Kritik“? Sehen sie womöglich auch Scheich Hussein genauso wenig als Antisemiten wie ihren Spezi Grass? Weshalb vernehmen wir hierzu vom Schreibwerker Muschg lediglich „dröhnendes Schweigen“? Wo bleibt hier seine vieldeutige „Verpflichtung zur moralischen Intervention“?

    Weshalb kommt es bezüglich Israel (übrigens der einzige Staat weltweit, dem das Existenzrecht abgesprochen wird) immer wieder zu inhaltlichen wie formalen Totalausfällen diverser Zeitgenossen aus sämtlichen gesellschaftlichen, beruflichen und intellektuellen Schichten? Warum geht die sogenannte „Israelkritik“ diesen selbsternannten Moralwächtern so leicht über die Lippen? Das im journalistischen Sprachgebrauch verwendete Wort „Israelkritik“ wurde übrigens explizit für Kritik an Israel erfunden. Von „Russlandkritik“, „Chinakritik“ oder „Kongokritik“ ist mir hingegen nichts bekannt, obwohl in diesen Ländern die Menschenrechte im Sekundentakt verletzt werden.

    Der Grund dafür ist leicht nachvollziehbar: Zwei der drei Weltreligionen, nämlich das Christentum und der Islam, bieten durch die in ihren religiösen Schriften (Bibel und Koran) propagierte Judenfeindlichkeit, den Nährboden für derartige Ergüsse. Beide Religionen predigen seit Jahrtausenden den Judenhass. Allerdings wurde der europäische Antisemitismus den Muslimen von den christlichen Missionaren im Nahen Osten vermittelt. Es waren arabische Christen, die 1869 erstmals europäische antisemitische Traktate, wie die nachweislich gefälschte antisemitische Schmähschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“, ins Arabische übersetzten. So wurden Muslime auf das Bild des Juden als Freimaurer, Großkapitalist, Kommunist, Umstürzler und Verschwörer mit dem Ziel der Weltherrschaft eingeschworen.

    In der Bibel sind die Juden Jesusmörder, sie „gefallen Gott nicht und sind allen Menschen Feind“ (Gemeindebrief Paulus von Tarsus). Viele Christen sehen im Holocaust die gerechte Strafe der Juden für den Mord an Gottes Sohn (Deizid) und noch heute wird in der Karfreitagsfürbitte des Vatikans für die „Erleuchtung“ der Juden gebetet. Damit befindet sich das Christentum in der historisch einzigartigen Position, eine andere Religion anzuklagen, den eigenen Gott getötet zu haben. Im Koran wiederum werden die Juden als Affen und Schweine (Koranwunder) bezeichnet, die es zu töten gilt, da der „jüngste Tag“ für Muslime erst kommen wird, wenn die Juden „besiegt“ sind.

    Der Holocaust wäre ohne den Antijudaismus in der Bibel niemals möglich gewesen. Konkrete Fehler, Versäumnisse oder Verbrechen seitens der Kirche im Bezug auf den Holocaust, die Möglichkeiten einer Wiedergutmachung oder gar eine Entschuldigung oder ernst zu nehmende Schuldannerkennung blieben bis heute aus. Auf die Frage, warum der Vatikan nicht gegen die systematische Vernichtung der Europäischen Juden protestierte, antwortete der umstrittene Papst Pius XII: „In den Deutschen Heeren sind Millionen von Katholiken sind. Soll ich sie in Gewissenskonflikte bringen?“ Und von Adolf Eichmann, dem Architekten der „Endlösung der Judenfrage“, dürfen wir lesen: „Ich erinnere mich in tiefer Dankbarkeit an die Hilfe katholischer Priester bei meiner Flucht aus Europa.“

    Auch der Nahost-Konflikt ist entgegen der mehrheitlichen Meinung kein territorialer, sondern ein religiöser Konflikt, der mit einem eigenen Staat für die Palästinenser nicht das Geringste zu tun hat, sondern einzig und allein mit der fundamentalistischen Idee eines muslimischen Gottesstaates:

    „Unser Hass auf die Juden ist in unserem Glauben begründet! Wir werden die Juden als Feinde betrachten, selbst wenn sie uns Palästina zurück geben. Weil sie Ungläubige sind! Die größten Feinde eines jeden Moslems nach dem Teufel sind die Juden! Wer sagt das? Gott sagt das!“ – Al-Aqsa TV (Gaza), 31. März 2012

    Im Dezember 2010 sagte PA-Präsident Mahmud Abbas: „Ich werde nie auch nur einem einzigen Juden erlauben unter uns auf palästinensischem Land zu leben.“ Ein solcher, von der UNESCO bereits anerkannter und vom Westen mit Milliarden an Fördergeldern unterstützter palästinensischer Staat, wäre der erste seit Nazi-Deutschland, der Juden das Leben auf seinem Gebiet verbietet. Diese rassistische Sicht, die in arabischen Schulbüchern zu finden ist und in den Schulen aller arabischen Staaten gelehrt wird, ist der ultimative Riegel für Frieden in der Region, nicht die jüdischen Einwohner Judäas und Samarias.

    Zu dieser in den beiden Religionen fest verankerten Judenfeindlichkeit gesellt sich das schlechte Gewissen bezüglich der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber den verfolgten Juden und der empathielosen Duldung ihres Schicksals. Europa (nicht nur Deutschland) hat sich durch die Beihilfe am versuchten Genozid an den europäischen Juden durch die Nazis eine untilgbare Schuld aufgeladen. Auch die Schweiz schloss ihre Grenzen, obwohl Carl J. Burckhardt, Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, bereits 1935 und 1936 Konzentrationslager in Deutschland besuchte und über die Verbrechen der Nazis bis ins letzte Detail Bescheid wusste (Israels Magen David Adom ist bis heute die einzige Ambulanz-Organisation der Welt, die nicht zum Internationalen Roten Kreuz zugelassen wird).

    Juden wurden in der Schweiz nicht als politische Flüchtlinge anerkannt. Als „wesensfremde Elemente“ klassifiziert, deren Pass mit einem Judenstempel (J) versehen wurde (eine Idee des damaligen schweizer Polizeichefs Heinrich Rothmund), schickte man sie grösstenteils zurück in den sicheren Tod, um sich nach dem Krieg an den Vermögen der Toten zu bereichern.

    Heute noch ist die schweizer Politik nicht sonderlich zurückhaltend, wenn es darum geht, Israel zu verurteilen. So gehört die Schweiz zu den wenigen westlichen Staaten, die kontinuierlich Beschlüsse des „Menschenrechtsrats“ gegen Israel unterstützen. Dass in diesem fragwürdigen Rat einige der notorischsten Menschenrechtsverletzer sitzen, scheint den Bundesrat wenig zu kümmern.

    Bekanntlich geht ein schlechtes Gewissen immer auch mit einer völlig unverhältnismäßigen und ungerechtfertigten Aggression gegen den Verursacher desselben einher. So entlädt es sich im Falle der europäischen Juden nach anfänglicher „Sympathie“ für Israel in einem grotesken, als „Antiisraelismus“ oder „Antizionismus“ getarnten Judenhass.

    Dieser undifferenzierte und meistens auch unbewusste Judenhass entspringt dem Bedürfnis, einen Schlussstrich unter den Zweiten Weltkrieg zu ziehen. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, sich von der Vergangenheit (im Falle von Grass ist es seine eigene) lösen zu können, indem sie die Juden als Täter verurteilen.

    Das niveaulose, verleumderische und zutiefst realitätsferne Pamphlet von Günter Grass ist lupenreiner Antisemitismus. Muschg mag jedoch in dem vermeintlichen Tabubruch (seit 40 Jahren sagen vor allem die islamischen Staaten, zuletzt die Türkei und die gesamte deutsche Linke das Gleiche) keinen Antisemitismus erkennen, für ihn ist es ein „weltbürgerlicher“ Appell eines „um den Weltfrieden besorgten Mahners“.

    Und ausgerechnet die deutsche Bundesregierung hat ebenfalls eine ganz eigene verquere Meinung zu Grass‘ Schmähschrift. Gemäss Regierungssprecher Steffen Seibert handelt es sich dabei um ein „Kunstwerk“. Eine Bewertung der Regierung wurde deshalb auch mit dem Verweis auf die „Freiheit der Kunst“ abgelehnt (das hat der Günni ganz geschickt eingefädelt, seine Hetzschrift als „Gedicht“ zu verkaufen, obwohl dieser stümperhafte Schüttelreim jegliche gedichttypischen Merkmale vermissen lässt).

    Im Falle von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, betätigte sich Bundeskanzlerin Merkel hingegen sehr wohl als Buchkritikerin, indem sie das Buch „scharf kritisierte“ und sogar der deutschen Bundesbank nahelegte, über Konsequenzen für den damaligen Vorstand Sarrazin nachzudenken. Dass sie nun bei Grass schweigt, gibt zu denken. Aber wie sagte bereits Kaiser Wilhelm: „Was Kunst ist, bestimme ich!“

    Von Sartre stammt der Satz: „Was der Antisemit wünscht und vorbereitet, ist der Tod der Juden. Natürlich verschleiert er seine Absichten, indem er sie als „Kritik an den Juden“ bezeichnet, manchmal ist er sogar mit Juden befreundet. Aber das unverhandelbare Endziel ist und bleibt für immer die Vernichtung des gesamten jüdischen Kollektivs. Bis dieses Ziel nicht erreicht ist, wird er mit seiner „Kritik an den Juden“ nicht aufhören.“

    Auf den sogenannten „Antizionismus“ umgewandelt heißt das: „Was der Antizionist wünscht und vorbereitet, ist der Tod Israels.“ Er verschleiert seine Absichten, indem er sie als „Israelkritik“ bezeichnet, manchmal ist er „sogar mit Israelis befreundet“. Aber das unverhandelbare Endziel ist und bleibt für immer die Vernichtung des gesamten jüdischen Staates, sei es durch das Recht des Iran auf atomare Bewaffnung oder durch das „Rückkehrrecht“ der Palästinenser. Bis dieses Ziel nicht erreicht ist, wird er mit seiner „Israelkritik“ nicht aufhören.

    1900: „Juden, verschwindet nach Palästina!“. 2012: „Juden raus aus Palästina!“

    1942 wollten Antisemiten die Welt „judenrein“ machen. 2012 wollen Antisemiten die Welt „judenstaatrein“ machen.

    Hiess es früher „Die Juden sind unser Unglück!“, so heisst es seit Grass „Israel ist unser Unglück!“

    Der einzige Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus ist, dass der Antizionist den jüdischen Staat als Feindbild hat, der Antisemit aber die gesamte jüdische Gemeinschaft. Nahezu jeder Antisemit ist gleichzeitig Antizionist, und viele Antizionisten werden mit der Zeit auch zu ganz gewöhnlichen Antisemiten.

    Sollte Israel eines furchtbaren Tages tatsächlich vernichtet werden, wie das der von Grass als „Maulheld“ verharmloste iranische Präsident Ahmadinejad für das „zionistische Krebsgeschwür“ wiederholt angekündigt hat, werden sich die meisten „Antizionisten“ schnurstracks wieder in traditionelle Antisemiten zurückverwandeln. Dass sie mit dem Iran eine terroristische Diktatur unterstützen, die Frauen steinigt und Homosexuelle an Baukränen lyncht, scheint die hypokriten „Friedensaktivisten“ ebenso wenig zu stören, wie die Tatsache, dass Grass, der Schröder-Kumpel und neugekürte Ikone der „Friedensbewegung“, einer der flammendsten Befürworter des Jugoslawienkriegs war.

    Überhaupt wird der selbsternannte Märtyrer von seinen Jüngern in jeder Hinsicht mit Samthandschuhen angefasst. So wird seine SS-Mitgliedschaft lapidar als durchaus verzeihliche Jugendsünde eines 17-jährigen abgetan. Was wohl die fast gleichaltrige Sophie Scholl dazu sagen würde? Im Gegensatz zum Moraltrompeter Grass, der durch sein Geschwurbel einzig seinen ohnehin schon arg ramponierten Ruf als zweifelhafte „moralische Instanz“ zu verlieren hat, bezahlten Scholl und die Mitglieder der „Weissen Rose“ ihren Wiederstand gegen die Nazis mit dem Leben.

    Auch Grass‘ weinerlicher Vergleich eines demokratischen Rechtsstaats (Israel) mit einer Diktatur (DDR) aufgrund des gegen ihn verhängten Einreiseverbots nach Israel, zeugt nicht gerade von intellektuellem Tiefgang und die Aufregung darüber bei zahlreichen Politikern ist gradezu lächerlich. Deutschland verweigerte Personen die Einreise, die im Verdacht standen, „die öffentliche Ordnung zu stören“, unter anderem dem Sektenführer Mun, dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, dem Gaddafi-Sohn Saif el Arab Gaddafi und dem ehemaligen Thailändischen Ministerpräsidenten Thaksin. Die Schweiz müsste sich einen Vergleich mit der DDR ebenfalls gefallen lassen: 2009 verhängte das Bundesamt für Migration ein Einreiseverbot für den islamistischen Prediger Pierre Vogel.

    Unterdessen erfährt Grass auf zahlreichen rechtsradikalen, islamistischen, rassistischen und antisemitischen Internetportalen, aber auch in den Kommentarspalten der sogenannten „Qualitätsmedien“ wie WELT, ZEIT, BAZ, FOCUS, SÜDDEUTSCHE, SPIEGEL etc. (ungefilterte..?) euphorische Zustimmung seitens des „Volkssturms“, der sich mit sämtlichen antijüdischen, antisemitischen und antiisraelischen Klischees und Ressentiments in einer Weise selbst diskreditiert, dass man sich oft auf der Webseite der NPD vermutet. „Grass spricht aus, was das deutsche Volk denkt“, ist da zu lesen. Ob bewusst oder unbewusst: Grass bedient antisemitische und antijüdische Reflexe und stürzt damit auf das moralische Niveau eines Haider, Möllemann oder Gabriel.

    In Johann Wolfgang von Goethes Briefen, Tagebüchern und Gesprächen finden sich Bemerkungen, die mit Fug und Recht als antisemitisch bezeichnet werden können, sowohl aus der Sicht von damals wie aus der heutigen. Vielleicht hat Goethe gerade deshalb so punktgenau und treffend das Problem in seiner Essenz erkannt und beschrieben, das die Welt mit den Juden hat:

    „Was klagst du über Feinde? Sollten solche denn je werden Freunde, denen das Wesen, wie du bist, im Stillen ein ewiger Vorwurf ist?“

    Das letzte Wort soll die Jüdin und Holocaust-Überlebende Fanny Englard haben. Sie wurde am 6. Dezember 1941 als 16-jährige von Hamburg nach Riga deportiert und am 8. März 1945 von der Roten Armee befreit. Ihr Vater starb im Warschauer Ghetto, ihre Mutter und ihr zehnjähriger Bruder Arnold wurden gemeinsam mit der Großmutter sowie Tanten und Cousinen in Belzec vergast. Ihre Brüder Leo und Isi wurden im Alter von 15 und 13 Jahren bei Minsk erschossen. Fanny Englard kam 1947 nach Israel und heiratete, wie sie sagt, „um eine neue Familie zu gründen, als Ersatz für die ermordete Familie, die dem Judenhass zum Opfer gefallen war“. Heute wohnt sie in der Nähe von Tel Aviv:

    „Juden mussten immer um ihr Leben kämpfen. Das macht uns anders als andere Völker. Wir haben aus der Shoa gelernt. Das Recht zu leben lassen wir uns nicht noch einmal nehmen. Früher waren wir Exiljuden. Heute sind wir freie Juden. Wenn wir geschlagen werden, schlagen wir zurück. In Deutschland heißt es: „Nie wieder Krieg“. Für uns heißt es: Niemals wieder werden wir erneut wehrlose Opfer des Judenhasses sein. Früher war ich naiv. 1944 saß ich im Winter im Arbeitslager Sophienwalde und dachte: Wo ist die Stimme der Welt? Die wissen sicher nicht, wo wir sind. Doch die Welt wusste von Auschwitz. Seitdem weiß ich: Wenn ich mich auf die Welt verlasse, bin ich verlassen.“

  26. Rouven

    Es wundert mich schon. Man kann den Leuten noch so dezidiert darlegen, ab wann Antizionismus zu Antisemitismus wird und man kann mit hunderten Beispielen belegen, wie Israel in der deutschen Öffentlichkeit tagtäglich kritisiert wird.

    Trotzdem kann man sicher sein, dass von allzu vielen leuten wieder ein Kritikverbot an Israel herbeiphantasiert wird. Natürlich darf dabei auch die Antisemitismuskeule nicht fehlen.
    Und immer finden sich ein oder zwei, die sagen: „Er kann gar kein Antisemit sein. Er hat ja nicht Jude gesagt. Außerdem fehlt die Hakennase.“

    Wie erklärt man sich diese Realitätsverweigerung? Massenpsychose?

    Übrigens ein ausgezeichneter Kommentar Herr Beck. Wegen Ihnen werde ich noch zum Grünenwähler.

  27. Julius

    Ausgezeichnet Herr Beck!!!

    Herrn Ulf Dunkel frage ich:

    Warum hat Herr Grass noch kein Gedicht über Indien und Pakistan geschrieben, oder über Nordkorea?
    Die einen sehen sich als Atommächte spinnefeind gegenüber und Nordkorea protzt ständig mit einer atomaren Drohkulisse.

    Warum halluziniert Herr Grass nur den Juden entgegen, sie würden den Weltfrieden gefährden?

    Der alte Günter Grass versucht die Juden in Israel zum neuen deutschen Pazifismus zu bekehren, wie vor 500 Jahren der alte Martin Luther, mit seinen verdorbenen Schriften, die Juden zum Christentum bekehren wollte. Die Juden sollen nach seiner Meinung still halten, wenn ihnen wieder mit Vernichtung gedroht wird.

    Wo ist das Gedicht von Herrn Grass, das er den ermordeten Menschen in Syrien gewidmet hat?

    Diese Form des neuen deutschen Pazifismus ist verlogen und verdorben. Wenn die Juden nunmehr aus ihrer eigenen Community heraus, noch dazu in Ihrem eigenen Land in der Lage sind, sich erfolgreich gegen den Vernichtungswillen seines Umfeldes zur Wehr zu setzen, kommt ausgerechnet aus Deutschland der Bekehrungsversuch zum neuen deutschen Pazifismus, der den Untergang Israels bedeuten würde. Obwohl sich die Juden nur gegen den blinden Vernichtungswillen seines Umfeldes zur Wehr setzen, wird alles Übel und alle Schuld wie eh und je auf die Juden abgeladen. Mit dem kleinen Unterschied, dass aus dem intriganten Juden der intrigante Zionist geworden ist.
    Große Teile meiner deutsch christlichen Community dämonisieren Israel, um so den Abgrund von Auschwitz, die sechs Millionen ermordeten Juden los zu werden.
    __________________________________________________________________________________

  28. steven

    Hättet Ihr dem Grass mal alle gezeigt wie unrecht er hat indem ihr geschwiegen, ihn ignoriert hättet.

    Habt ihr aber nicht.

    10.000 Beleidigungen, 1000 Artikel und 1 Einreiseverbot später hat er Recht bekommen.

    Und weder ihn noch mich überrascht das.

  29. Alexander Illi

    Die Zustimmung kommt nicht nur von der ‚falschen‘ „Seite“ –

    So übersimplifizierend einseitig, rechts-/links-//schwarz-/weiß-gespalten ist diese Welt halt nun nicht mehr:

    DER ISRAELIT: Was gesagt werden muss – Solidarität mit Günter Grass
    http://www.derisraelit.org/2012/04/was-gesagt-werden-muss-solidaritat-mit_06.html

    JÜDISCHE STIMME: Stellungnahme zum Gedicht von Günter Grass
    http://www.juedische-stimme.de/?p=687

    HINTERGRUND: Was auch noch gesagt werden muss!
    Kommentare zur Grass-Debatte von Moshe Zuckermann, Noam Chomsky, Domenico Losurdo, Rolf Verleger, Ekkehart Krippendorff und Norman Paech
    http://www.hintergrund.de/201204062011/feuilleton/zeitfragen/was-auch-noch-gesagt-werden-muss.html

    Nicht nur ‚Israel‘ fühlt sich bedroht, es (die mehrheitliche politische ‚Führung‘) mischt bei dem gegenseitigen Bedrohungs-Aufschaukeln („Abschreckung“) kräftig mit. Auch Sanktionen sind übrigens keine diplomatischen Mittel mehr. Weder mit süßlich-heuchlerischem Appeasement, noch mit Drohkulissen sind nachhaltige Lösungen möglich. Nur mit unparteiischem Mitgefühl.

  30. supi druff

    steven: „10.000 Beleidigungen, 1000 Artikel und 1 Einreiseverbot später hat er Recht bekommen.“

    bleibt nur die biographische lappalie einer zweijährigen zugehörigkeit zu waffen-ss zu ergänzen.

    sind wir froh, dass noch größere experten in sachen „weltjudentum“ nach dem krieg zügig aufgehängt wurden. stellen sie sich ein „was getan werden musste…“ in reimform z.b. von einem amon göth vor und anschließend das theater, wenn israel ihm einreiseverbot erteilt hätte…

  31. Ulla

    Lieber Herr Beck,

    herzlichen Dank für Ihren guten und absolut richtigen Kommentar zu der unsäglichen Grass-Causa. Sie haben alles gesagt, aber leider haben es längst noch nicht alle verstanden.
    Und so müssen sicher viele von uns endlose und altbekannte Diskussionen bestehen, in denen neben der keine-Kritik-an Israel-erlaubt-Rhetorik „arme Palästinenserkinder“ heraufbeschworen werden, um Israel zu diskreditieren.

    Bitte machen Sie weiter.

    Herzliche Grüße
    Ulla

  32. Alexander Illi

    „sind wir froh, dass noch größere experten in sachen “weltjudentum” nach dem krieg zügig aufgehängt wurden.“

    Erstaunlich, solche Gewaltverherrlichungen habe ich im „Shitstorm der schweigenden Mehrheit“ bisher nicht gelesen.

    Auf einer Seite der einstmals von mir als einzige politische Alternative wahrgenommenen GRÜNEN finden sie nun Resonanz,
    ebenso, wie Verfasser von Einseitigkeiten wie „Auch der Nahost-Konflikt ist entgegen der mehrheitlichen Meinung kein territorialer, sondern ein religiöser Konflikt, der mit einem eigenen Staat für die Palästinenser nicht das Geringste zu tun hat, sondern EINZIG UND ALLEIN mit der fundamentalistischen Idee eines muslimischen Gottesstaates:…“.

    Ich hatte meine Mutter schon mit ca. 4 Jahren, 1978, empört und penetrant gefragt, wie ihre Eltern so etwas zulassen konnten, wie die Konzentrationslager. Meine Grundeinstellungen haben sich seither nicht geändert, und Verfolgte und Unterdrückte finden bei mir nach wie vor Hilfsbereitschaft und Mitgefühl, ungeachtet irgendeiner „Seite“. „Arme Kinder“ bleiben „Arme Kinder“, egal, ob „palästinensisch“, „israelisch“, „phönizisch“ oder „mit Migrationshintergrund“.
    Gerade deshalb bin ich dann mal weg hier, denn je mehr argumentationsloses Schulterklopfen, auf-die-„einfache“-Masse-hinabschauen-wollen („schweigende Mehrheit“) und Einseitigkeit an einem Ort stattfindet, …

  33. supi druff

    ne is klar, alex. man muss schon mächtig einen an der mütze haben, wenn man die exekution eines kz-lagerkommandanten als „gewaltverherrlichung“ begreift. ihnen möchte man wirklich nicht nur auf die schulter klopfen…

  34. Stephen Falken

    Am Beispiel des Grass’schen Gedichtes kann man schön sehen, wie akademisch und intellektuellisiert (mit Absicht schlechtes Wort) die heutige Diskussion um Israel ist. Anstatt die klaren Fakten zu benennen, drückt man sich darum und bleibt in seinen ideologischen Schützengräben.

    Israel läßt sich, obwohl dort nicht nur Juden leben, nicht von diesen trennen. Siedlungspolitik, Mauerbau, Diskriminierung von Palästinensern etc. ist Bullshit, keine Frage. Kritik daran wird dann zum Antiseminitismus wenn man(n) die Zusammenhänge und historischen Entwicklungen vergisst zu erwähnen.

    Wollen wir doch nicht vergessen, es geht immer noch darum „die Juden ins Meer zu treiben“ (Zitat Nasser). Machen die Israelis bei Ihrem Kampf um Überleben seit über 60 Jahren vieles falsch? Sicher. Aber sie haben immer wieder versucht friedlich mit den Arabern zusammen zu leben und wurden dafür mit Raketen und Terror belohnt. Amerika und die westliche Welt kämpfen bei weitem nicht um ihre Existenz und wurden im Wesentlichen EINMAL angegriffen (auf eigenem Gebiet) und wie viele Fehler wurden da gemacht (siehe Guantanamo). Der Wille immer wieder Kompromisse zu schliessen, den der Staat Israel so viele Jahre bewiesen hat, sollte uns eher Vorbild sein, als Anlass zur Kritik.
    Das nun nach so vielen Jahren der blödsinnige Fanatismus auch unter den Juden zunimmt war in diesem Kontext nur eine Frage der Zeit. Das muss und kann man kritisieren, aber man muss dann auch den Zusammenhang darstellen.

    In so einem langen Konflikt sind beide Seiten aus hundert guten Gründen aggressiv. Eine Lösung kann nur im Aufeinander-zu-bewegen bestehen. Die gegenwärtige ideologische Debatte in Deutschland ist da kontraprodultiv. Jedoch allen alt-linken und neu-nazis und grass’es die meinen in Israel den Bösen ausgemacht zu haben, empfehle ich einen Blick auf die Landkarte der Region……

    In jedem Fall, Danke Herr Beck, nicht nur in dieser Sache.

  35. rgtgoihtsriughtrsguh

    Ja, Ulla, den „armen Palästinenserkindern“ geht es natürlich grandios.
    Es muss wahrhaftig ein Traum sein, wenn man von der IDF oder von bewaffneten Siedlern jeden Tag drangsaliert wird oder einem Wasser verweigert wird, aber ich bin mir absolut sicher, dass man dieses Vorgehen auch wieder positiv hervorheben wird, denn schließlich geht es ja gegen die „bösen“ Palästinenser, ebenso wie beim Atom-Konflikt gegen den „bösen“ Iran.

    http://www.amnesty.de/2009/10/27/israel-verweigert-palaestinensern-zugang-zu-wasser

    http://www.amnesty.de/jahresbericht/2011/israel-und-besetzte-palaestinensische-gebiete

  36. Ingrid

    Falls es die Mitdiskutierenden interessiert – nachfolgend meine Mail an Volker Beck vom 21.3.:

    Sehr geehrter Herr Beck,

    in einem Spiegel-Artikel werden Sie mit dem Satz zitiert: „Es ist ein antisemitischer Reflex von Ashton, bei toten jüdischen Kindern daran zu erinnern, dass in Gaza auch Kinder sterben.“

    Brav, dass Sie sich so für Israel in die Bresche werfen. Brav, dass Sie es mit beleidigender Zuschreibung ablehnen an tote Zivilisten in Gaza zu erinnern. Damit tun Sie exakt das, was die israelische Regierung erwartet. Und was gäbe es Wichtigeres und Richtigeres für einen deutschen Politiker als israelische Erwartungen zu erfüllen?

    Blöd nur, dass die derzeitige israelische Regierung zusammengesetzt ist aus Rechtskonservativen und Ultrareligiösen, mit einem Rechtsradikalen als Außenminister (wenn man Avigdor Liebermans Portrait auf Wikipedia glauben darf).
    Blöd auch, dass Catherine Ashton Engländerin ist und keine Veranlassung hat mit Wahrheit und universellem Mitgefühl zugunsten von neudeutschen Reflexen hinter den Berg zu halten.
    Was soll’s, dass Amnesty International schwere Vorwürfe an Israel richtet. Für einen deutschen Politiker hat zu gelten: egal, ob der Außenminister und Palästina-Beauftragter ein Faschist ist oder eine Friedenstaube, wir alle haben bedingungslos hinter ihm zu stehen.
    Und wehe, jemand tanzt aus der Reihe! Dann werfen wir ihm/ihr sofort und ohne Zögern Antisemitismus-Vorwürfe um die Ohren.

    Catherine Ashtons Hinweis auf zivile Opfer in Gaza sowie auf das Blutbad von Oslo sind aber mitnichten antisemitisch. Es ist auch keineswegs antisemitisch die derzeitige israelische Regierung direkt oder indirekt zu kritisieren.
    Die Vorgänge in Toulouse waren feiger Mord und durch nichts zu rechtfertigen. Allerdings wurden von dem Täter zuvor auch mehrere aus Nordafrika stammende Soldaten ermordet. Mit einem angeblich antisemitischen Täter würden Sie also zu kurz greifen, so wie Sie mit dem Vorwurf angeblich „antisemitischer Reflexe“ bei Ashton zu kurz gegriffen haben.
    Die französische Regierung, die für deutsche Reflexe beklagenswerterweise ebenso wenig zur Verfügung steht wie Ashton, sieht vielmehr allgemeine rassistische Motive bei dieser Mordserie. Und Rassismus, lieber sehr verehrter Herr Beck, gibt es sogar in Israel.

    Als Stammwählerin der Grünen empfehle ich: vielleicht das nächste Mal zuerst nachdenken, dann twittern.
    Ausgerechnet einem Avigdor Lieberman hinterherzusabbern und auf eine Frau einzuschlagen, die ihr Mitgefühl nicht so selektiv verteilt wie Sie das anscheinend erwarten – das halte ich jedenfalls für grotesk einseitig.

  37. Ingrid

    Zitat Volker Beck: […]“Nun kann man von Henryk M. Broder halten was man will, er hat dies aber einmal so polemisch wie zynisch sehr treffend beschrieben: „Antisemitismus fängt bei sechs Millionen toten Juden an. Alles drunter ist Friedenspolitik.“[…]

    Wann bitte hat Henryk Broder jemals etwas treffend beschrieben?
    Wann bitte hat er jemals mit gleichem Maß gemessen – Juden bzw. Israelis auf der einen, Palästinenser bzw. Muslime auf der anderen Seite?

    Schöne Grüße an Sie, Volker Beck: Wer sich mit einem solchen Polemiker gleich macht, der mit seinen Kolumnen für den Springerkonzern endlich dort angekommen ist, wo seine intellektuelle Heimat ist und wohl schon immer war – dem ist nicht zu helfen. Dass sie einem solch widerwärtig-dämliche Satz wie dem oben zitierten auch noch zustimmen, ist der Hammer!

    Ich weigere mich auf diesem Niveau zu diskutieren.

    Und ich brauche übrigens auch keinen Professor um zu erkennen, was Antisemitismus ist.
    Beziehungsweise NICHT ist.

    Catherine Ashton und Günter Grass sind z.B. Leute, die zu Unrecht des Antisemitismus bezichtigt werden – von Leuten, die es als ihre Aufgabe betrachten unter Außerachtlassung aller störenden Fakten auf jeden einzuschlagen, der sich israelkritisch zeigt.

  38. Ingrid

    Ein gewisser „David Klein“ schreibt hier auf dieser Kommentarseite:

    [..l.]Der ehemalige SS-Soldat Günter Grass kann aufgrund altersrenitenter literarischer Inkontinenz seine “letzte Tinte” offensichtlich nicht mehr halten und hat ein trutziges “israelkritisches” Manifest (er nennt es Gedicht) verfasst, dessen Inhalt sich in einem Satz wiedergeben lässt: Israel gefährdet den Weltfrieden (für seinen ehemaligen Oberbefehlshaber Adolf Hitler erfüllte das “Weltjudentum” seinerzeit die selben Kriterien). […]

    Zusammengefasst:
    – ehemaliger SS-Soldat (gemeint ist eine 3monatige Episode des damals minderjährigen GG)
    – altersrenitent
    – Inkontinenz
    – es wird eine Parallele zu Adolf Hitler gezogen

    Sagt mal, ihr David-Kleins oder wie ihr sonst heißen mögt, gehts nicht eine Nummer kleiner?
    Ich dachte, NS-Vergleiche seien verpönt?

    Wo bleiben diejenigen, die sich über den Vergleich eines Schriftstellers mit einem rassistischen und antisemitischen Massenmörder empören?

    Hat man nicht Sigmar Gabriel wegen angeblich unangemessener Vergleiche schwer gerügt?
    Ach so. Jener Vergleich war „antiisraelisch“, dieser hingegen „proisraelisch“. Das ist natürlich ganz was anderes.

    Eine Einkesselung in Gaza mit Apartheid zu vergleichen, mit einem Ghetto, das ist hochempörend, aber einen Schriftsteller mit Hitler vergleichen – das ist kein Problem.

    Gehts euch noch gut??

    Ist das eure Art zu beweisen, wie ausgeprägt die Meinungsfreiheit in Deutschland ist?
    Wie unrecht Grass doch angeblich hatte, als er behauptete, dass man in Deutschland nicht sagen kann, was Sache ist?

    Einen Menschen derartig massiv zu beleidigen, aus allen Rohren sprich Zeitungen zu schießen, was das Zeug hält, Leserbriefe zu zensieren, weil sie den Meinungsmachern nicht ins Konzept passen – und das alles, weil ein hochpolitischer Literat etwas sagte, was einigen von euch nicht passt: das findet ihr normal?

  39. Stephen Falken

    @Ingrid:
    Sie haben viel geschrieben, leider jedoch nicht so viel gesagt.
    Zum Verhältnis von Antisemitismus und Israelkritik habe ich meinem Kommentar nichts hinzuzufügen.
    Zu Ihren Ausführungen hinsichtlich der NS-Vergleiche erlaube ich mir jedoch folgendes anzumerken.
    Es war Herr Grass, der seine SS-Vergangenheit verschwiegen hat und es war auch Herr Grass der sich nun (ebenfalls sehr polemisch) wieder mit diesem „Gedicht“ gemeldet hat. Insofern muss er entsprechende Vergleiche schon akzeptieren.
    Anscheinend gibts es leider häufig (und besonders häufig bei den Linken) einen linearen Argumentationsstrang von den Nazis bis heute der davon ausgeht, dass deutsche Politiker bezüglich der jüdischen Politik mit Scheuklappen rumlaufen und die angebliche Gefahr durch jüdische bzw. israelische Aktivitäten nicht sehen würden. Ausländische Politiker die sich israel-kritisch äußern werden dann als „ohne Scheuklappen“ betrachtet. Sie übersehen damit jedoch sowohl die geschichtlichen Zusammenhänge (die nun mal da sind – Holocaust etc.) und bis heute wirken (noch heute wollen im Vergleich zu Israel riesige Volksgruppen und Staaten den jüdischen Staat von der Landkarte tilgen – einmalig in der Welt), als auch die tatsächliche oft vorhandene Objektivität vieler Israelfreundlicher Aussagen.
    Einfach gesagt: nicht alle pro-israel Aussagen sind Ergebnis der deutschen Geschichte, genauso wie Israelkritische Aussagen dann korrekt sind wenn sie objektiv und im historischen Kontext bleiben.

    Und liebe Linke seht doch bitte mal ein, dass die DDR und der Osten 40 Jahre lang auf der Seite der Palästinenser war, weil die Israelis sich auf die Seite der Amerikaner geschlagen hatten. Das hatte was mit Stellvertreterkrieg zu tun und nicht mit den Realitäten damals.

  40. Ingrid

    Wenn Ihnen meine Ausführungen so wenig gefallen, dass sich darauf jede echte Antwort erübrigt – vielleicht können Sie mit dem, was ein geistig unabhängiger Kopf aus Tel Aviv zu sagen hat, mehr anfangen:

    […]Jene in Deutschland, die sich mit einem Israel solidarisieren, das dabei ist, sich selbst zugrunde zu richten, sind nicht befreit von der Last, objektiv zu befördern, wogegen sie sich vorgeblich in ihrer Solidarität richten. Dass sie sich von ihren pro-israelischen Befindlichkeiten aus geschichtlichen Gründen nicht loslösen können, sei ihnen nachgesehen – das neuralgische Verhältnis von „Juden und Deutschen“ nach dem Holocaust wird sich nicht so schnell „kurieren“ lassen […] Eine ganz andere Sache ist es aber, sich die Befindlichkeit durch den Antisemitismus-Vorwurf zurecht zu ideologisieren. Man verrät stets die historischen Opfer des Antisemitismus (besonders die des deutschen eliminatorischen), wenn man diesen Begriff allzu unbeschwert in den Mund nimmt, um sich in seinem eigenen identitären Defizit besser zu positionieren.
    Günter Grass ist kein Antisemit (auch nicht „objektiv“ oder „sekundär“, wie es im armseligen deutschen akademischen Diskurs in den letzten Jahren zu diesem Begriff heißt). Man mag vieles an Grass aussetzen, nicht zuletzt auch eine Selbstgefälligkeit, die nicht davor zurückschreckt, von „letzter Tinte” zu reden. Aber ein Antisemit ist er nicht – es sei denn in den Augen der Broders, Graumanns, Giordanos und Wolffsohns, denen das Wohl Israels so am Herzen liegt, dass sie Israel – aus angemessener Entfernung! – emphatisch „in Schutz“ nehmen, um sich für sein Wohl umso effektiver blind machen zu können.
    Wer nicht zwischen Antisemitismus und berechtigter Israelkritik zu unterscheiden vermag, sollte zumindest bescheidener auftreten, wenn er selbstgewisse Verdikte ausspricht: das Jahrzehnte alte Okkupationsregime Israels (und andere Erscheinungen im israelischen Alltag, die hier unerörtert bleiben mögen) straft die schablonenhafte Larmoyanz dieser „Israel-Solidarität“ Lügen. Die in Deutschland lebende „jüdische Intelligenz“ ist die letzte, die den Anspruch erheben könnte, sich um Israel realiter Sorgen zu machen: zu sehr reagiert sie komplementär zum befindlichkeitsschwangeren Diskurs der nichtjüdischen „Deutschen“. Grass seine jugendliche SS-Vergangenheit anzulasten, ist eine Sache; eine ganz andere, ihn zum Antisemiten zu machen, um ein menschenrechtsverletzendes Israel zu verteidigen.

    Zitat Moshe Zuckermann
    http://www.hintergrund.de/201204062011/feuilleton/zeitfragen/was-auch-noch-gesagt-werden-muss.html

  41. generatoren

    @Stephen Falken
    Wer seinen Diskussionsbeitrag mit „Sie haben viel geschrieben, leider jedoch nicht so viel gesagt“ beginnt, der will nicht verstanden werden. Solche Beleidigungen sind gut, um die eigenen Mängel zu übertönen, nicht aber, um den Anderen zu überzeugen.

    Nicht weniger unverständlich bleibt mir Ihr folgender Gedankengang: „Es war Herr Grass, der seine SS-Vergangenheit verschwiegen hat und es war auch Herr Grass der sich nun (ebenfalls sehr polemisch) wieder mit diesem “Gedicht” gemeldet hat. Insofern muss er entsprechende Vergleiche schon akzeptieren.“ Wenn Michel Friedman laut heult, Grass hätte ihn betrogen, weil dieser seine Mitgliedschaft in der SS verschwiegen hätte, wo Grass doch so gegen Antisemitismus eingetreten sei, dann erschließt sich mir schlicht nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Grass öffentliches Engagement gegen Antisemitismus wird nicht dadurch falsch, dass er seine private Jugendsünde nicht ebenfalls öffentlich austrägt. Klar hätte er es gekonnt, aber zwingend ist es nicht. Setzt doch die Demokratie auf die ausbalancierte politische Ordnung und nicht wie die Diktatur auf den „guten Menschen“.

  42. Stephen Falken

    @generatoren
    also unter dem begriff „jugendsünde“ würde ich nicht eine mitgliedschaft in der SS verstehen, sorry.
    und was soll in diesem zusammenhang „ausbalancierte ordnung“ heissen? ein bißchen SS als jungendsünde, ein bißchen antisemitismus, dafür dann bei amnesty spenden und ein paar wale retten?
    oder gar wenn rechtsradikale und „gutmenschen“ sich (politisch) streiten, hat jeder ein bißchen recht, wegen der balance?
    sorry, davon halte ich nichts, auch wenn es heute sehr populär ist persönlichen egoismus und mangelnde zivilcourage dahinter zu verstecken (nicht beleidigt nehmen, nicht zwingend an sie adressiert).

  43. Stephen Falken

    @generatoren: zu herrn friedman…. (ihr Zitat)
    Natürlich hat das eine mit dem anderen zu tun. jeder mensch sollte zu jedem zeitpunkt authentisch sein und sein vehalten und seine aussagen danach richten, welche zeit politisch grade ist, ob es für ihn nachteile oder vorteile hätte etc. . indem herr grass es nicht war, hat er zwar nicht das was er an politisch und sachlichem davor sagte in gewisser weise diskreditiert, wohl aber seine persönlichkeit und somit auch seine glaubwürdigkeit, gerade auch als schriftsteller.
    es war und ist eine verbreitete unsitte das verschweigen von wahrheiten mit höflichkeiten zu verwechseln, oder es besser anzusehen als das was es ist, eine form der lüge.

  44. Stephen Falken

    … tippfehler verzeihung, es sollte natürlich heissen:
    …. seine Aussagen NICHT danach richten ….

  45. Ingrid

    Was ist das eigentlich für ein Menschenbild, das einem Menschen eine Fehleinschätzung noch sechzig (!) Jahre später nachträgt und ihm auf Basis dessen abspricht zu einem Thema – egal, welchem – jemals im Leben eine Meinung äußern zu dürfen.

    Und was ist das eigentlich für eine Selbstgerechtigkeit – fett, satt, bar jeden Einfühlungsvermögens, in einer Demokratie lebend, die man nicht selbst gebaut, sondern vererbt bekam – über die Befindlichkeiten eines 15-17-jährigen Jungen derartig vernichtend urteilen zu wollen.
    Über einen Jungen, der in einer Diktatur aufgewachsen und wie andere Jungs seiner Zeit systematisch indoktriniert worden ist und der angesichts der Kriegszerstörungen das Bedürfnis hatte etwas für das Vaterland zu tun.

    Die meisten sogenannten Grass-Kritiker handeln nach dem Motto: warum sachlich, wenn es auch persönlich geht. Denn all das Gerede um jene 3 Monate vor fast 70 Jahren, über die nicht einmal Näheres bekannt ist, dient doch nur dazu vom Inhalt seines Textes abzulenken.

  46. generatoren

    @Stephen Falken
    Die Auseinandersetzung über das Wort „Jugendsünde“ würde ich gerne überspringen, meinte ich doch Sünde in der Jugend und nicht Jugendsünde im Sinne von lässlich. Danke für Ihren Hinweis.

    Sie haben verdammt hohe moralische Ansprüche, sicherlich auch an sich selbst, dabei verwundert es mich, dass sie noch nie an diesen hohen Ansprüchen gescheitert sein sollten. Aber das ginge mich nur etwas an, wenn wir befreundet wären, als Bürger hat es mich nur zu interessieren, wenn die Gerichte aktiv werden. Auch in diesem Falle gibt es umfassende Rehabilitationsregeln, die für die Demokratie essenziell sind. Setzt doch grade die Demokratie auf Bildung, Bildung zum Bürger. Friedman müsste also seine Sendung nicht jedes Mal mit dem Satz beginnen: „Ich habe Sexsklavinnen missbraucht.“

    Wenn Grass, wie u.a. Friedman es ihm bescheinigt, gegen Antisemitismus in der Bundesrepublik eintrat, dann trat Grass gegen Antisemitismus in der Bundesrepublik ein. Daran ändert sich nichts, wenn Grass sich vor der Gründung der Bundesrepublik noch nicht entsprechend verhalten hat. Sicher wäre es mutig gewesen, wenn Grass sich früher öffentlich zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS geäußert hätte, aber auf diesen Mut hätte ich lediglich Anspruch, wenn ich mit ihm befreundet bin. Als Bürger kann ich lediglich dankbar sein, wenn Grass sich so gegen seine unmittelbaren Eigeninteressen verhält. Die Reaktionen der letzten Wochen haben wohl klar gemacht, dies ist ein schmerzhafter Prozess, ein Prozess, wie man ihn wohl nur seinem ärgsten Feind wünscht.

    Wir denken uns die Welt gerne Mann gegen Mann. Grass ist also „Antisemit“ und damit ist die Sache klar, das Freund-Feind-Schema (Carl Schmitt) ist bedient. In so einer Zuschreibung liegt viel Gewalt, Gewalt, die ich gegenüber Grass nicht angemessen finde. Beschränkte man sich hingegen darauf, auf jene Argumentationen von Grass hinzuweisen, die man für antisemitisch hält, bekommt die Debatte schon einen anderen Klang.

    Ihre Nachfrage „Was ist politische Ordnung?“ kann, sie ahnen es bestimmt, dann doch nicht so schnell beantwortet werden. Ein kurzer Versuch dennoch: Am Ende der Aufklärung und am Beginn liberaler Staatsordnungen stand nicht zuletzt der Versuch, dieses Problem in prägnante Formeln zu gießen. Kants kategorischer Imperativ wies hier einen Weg auf. Die schärfste Formulierung Kants hierzu, ist übrigens in „Zum ewigen Frieden“ zu finden. Die republikanische Verfassung sollte ihre Institutionen so ordnen, dass selbst ein Volk von Teufeln — immer in der Vorannahme, dass das allgemeine Gesetz, zum eigenen Vorteil ist — glückseelig(sic) wird.

  47. Stephen Falken

    lieber generator,
    ich halte grass nicht für einen antisemiten (zumindest nicht in dem sinne, wie man es so normalerweise ansieht), es geht mir auch nicht um die person grass, weder positiv noch negativ. es geht um seine äußerungen.

    mann gegen mann? ja und nein, immer sind es konkrete menschen, die im rahmen ihrer möglichkeiten agieren. diese möglichkeiten sind allerdings weitesgehends bestimmt durch die verhältnisse in denen sie leben.

    mir reicht es allerdings nicht, meinen anspruch an menschen auf die frage der gerichtlichen verurteilung oder auch nichtverurteilung zu reduzieren. dies ist immer der kleinste aller möglichen nenner. überlegen sie nur wie viele diktatoren sich bisher vor gericht verantworten mussten? nach ihrer maßgabe handelten die also richtig?? das kann ja wohl nicht sein. die folterer von abu-graib werden sich niemals vor gericht verantworten müssen, alles ok damit? richard nixon handelte hochgradig unmoralisch, ich bin jedoch nicht mit ihm befreundet und vor gericht kam er nie, also alles in ordnung? sehr seltsam ….

    ein berühmter philosoph mahnte einmal den menschen, sich stets so zu verhalten, dass ein beliebiger ihn von außen anschauender mensch mit seinem verhalten zufrieden wäre. dies erscheint mir ein härterer aber sehr viel besserer anspruch als der von ihnen zitierte.

    achso, natürlich habe ich oftmals probleme mit derartigen ansprüchen. doch was man(n) als richtig und falsch ansieht sollte man(n) vertreten unabhängig von ihrer popularität, finde ich.

    letzte bemerkung: jeder von uns begeht jungendsünden, sprich man ist später meistens klüger. schlimm auch wenn es andersrum ist. im falle der ss-mitgleidschaft des herrn grass ist dies jedoch bemerkenswert aus mindestens zwei gründen. erstens weil es beispielhaft für das aufarbeiten vom leben in der diktatur ist. nach dem fall der nazis gab es auf einmal keine nazis mehr, und wenn ja war es erzwungen oder der jungendlichen unerfahrenheit geschuldet. nach dem fall der berliner mauer war es mit den kommunisten ähnlich. beide entschuldigungen sind gelogen, es geht und ging immer um vorteilsnahme durch regime-loyales handeln. und dies geht weiter in dem man sich nach dem fall der mauer in die schweigende mehrheit einreiht. vorteilsnahme eben. und damit sind wir beim zweiten punkt. herr grass schrieb keine 0815 – belletristik, sondern immer auch mit moralischem zeigefinger, auch im hinblick auf den nazionalsozialismus. er war es somit selbst der durch sein eigenes moralisieren auch den besonderen blick auf den der moralisiert erwirkt hat.
    wie ich bereits schrieb, meine ich nicht das der gehalt seiner aussagen dadurch gemindert wird, dass er so lange geschwiegen hat. wohl aber das ansehen seiner person und damit sein anspruch auf den moralischen zeigefinger, den er ja jetzt auch wieder hebt.

  48. Sandor Ragaly

    Sehr geehrter Herr Beck,

    ich schätze Sie, schätzte Sie bisher sehr sogar, in Ihrer engagierten und (zum Glück) „lauten“ Menschenrechtsarbeit, ohne dass Sie je zu ermüden scheinen. Doch Sie vertreten in diesem einen Punkt des „Reden-Dürfens über Israel“ (oder der Kritik daran) selbst ein recht konstruiertes Stereotyp (der Beschuldigung).

    Bei diesem wollen Sie paradoxer Weise das offene Reden sogar selbst strafen, weil es für Sie ein bestimmtes antisem. Redemuster bediene – eine gewöhnliche Meinungsäußerung de facto (gebrauch- wie missbrauchbar natürlich), der Sie moralistisch und allzu leicht ein „Label“ von Ihnen ankleben – und damit auch mir(indirekt freilich, wie eben alle Zuschreibungen zu Individuen auf „Gruppen-„Merkmalen/Schubladenbasis angelegt sind);

    Ganz kurz zu mir: (Wir kennen uns auch ein wenig von Facebook, Twitter): Ich bin Politik- und empir. Medienforscher, u.a. mit quant. Inhaltsanalyse von ökolog. Deutungsmustern (frames u.a.), aber auch „Nationenbildern“ beschäftigt (Untersuchung des Amerikabildes und seiner Stereotype in den dt. Medien 1976 vs. 1996). Ich beschäftige mich, ansatzweise schon seit meiner Kindheit, sehr viel mit den Themen Ausländerfeindlichkeit (auch aufgrund meiner dt.-ungarischen Abstammung), Jüdische Kultur und Verfolgung in der Historie („mein“ Autor überhaupt ist der deutsche Jude Heinrich Heine), mit dem Holocaust, Israel/Nahost, Friedenspolitiken.

    Ich denke, dass das Thematisieren von Israelkritik (ob nun immer stimmig oder – aus Ihrer Sicht – adäquat) in der Tat auf eine besondere, teils „angespannte“ Resonanz in den Medien/von best. Akteuren trifft, wie es bei einem solch furchtbaren Thema der Vergangenheit wie auch existenziellen Thema der Gegenwart (Israel, aber auch die Palästinenser betreffend) doch auch als ganz verständlich gesehen werden muss.

    Es wäre geradezu seltsam, und auch moralisch zu leichtgewichtig angesichts der Vergangenheit, wenn das Thema Juden/Israel(inkl. Kritik) eines unter vielen wäre, und auf forsch-kritische Aussagen *nicht* mit viel Leidenschaft, teils Angst, teils Agressivität reagiert würde, was die nächste Äußerung auf dem Gebiet natürlich nicht erleichtert. Das aber ist schon alles, mehr ist nicht dahinter – für Sie, Herr Beck, ist aber das Aussprechen der Konflikthaltigkeit bei Kritik an Israel bereits Anlass, Menschen als Antisemiten (oder auf dem Weg dahin) zu sehen, die es gar nicht sind; und wären sie es, so wären sie sicher als Letztes über so einen „schlechtesten denkbaren Indikator“ zu entlarven.

    Bei Grass mischen Sie noch zusätzlich zu diesem wirklich völlig nicht-validen, nicht gültigen „Anzeichen“, das Sie aus einer normalen und unbedingt zulässigen Meinungsäußerung hypostasiert und als dauerhaftes *gefährliches Muster* etabliert haben (zumindest für sich selbst) noch im Nebensatz die Unterstellung hinein, er habe nur Publicity gewollt bzw. er bediene Ihr „Indikator-Stereotyp“ mit bösen Absichten gegenüber Israel. Das ist alles sehr leicht (und auch offenkundig) konstruiert, weil man, etwa die bösen Absichten betr., in die Gehirne nicht hineinschauen kann, und das somit auch nie aufgeklärt oder falsifiziert werden kann. Das exakt garantiert das Überleben von (meist recht trägen) Stereotypen und Vorurteile.

    Mein großes Problem ist, dass Sie solches Schubladen- oder „Label“-Denken bei einem wirklich unendlich zu ernsten Thema einbringen, noch dazu in ihrer, in diesem Fall nicht angebrachten, locker-eloquenten Konfliktkommunikations-Art. Damit schwächen Sie doch den Antisemitismusbegriff ! Bei Inflation eines (missbrauchten, zu „locker sitzenden“) Begriffs interessiert es irgendwann keinen mehr, wenn solcher Vorwurf fällt – dafür werden Menschen wie Grass, für die so ein Vorwurf besonders schlimm ist, eben weil sie *keine* Antisemiten sind, in aller Welt diffamiert.

    — Was ist z.B. mit Jakob Augstein, der Grass verteidigt hat, und auch dafür auf die „Weltrangliste der Antisemiten“ des Wiesenthal Centers kam – ist das etwa gemäß Ihrer Behauptung: Jeder darf ohne Sanktionen zu Israel sagen, was er will? Die weltöff. Anprangerung Augsteins widerlegt doch an einem krassen Beispiel Ihre „Minitheorie“, oder?

    Wir reden doch von Menschen wie Grass, die schon vor langer, langer Zeit für das Richtige, wie sie es nun mal empfinden, eingetreten sind (Ost-West-Schriftstellertreffen; Wahlauftritte für Willy Brandt, für die Grass alleine durch Süddeutschland fuhr und Reden hielt, natürlich fühlt sich ein politischer Schriftsteller immer wieder „genötigt“ (von seinem Gewissen z.B.) sich pointiert einzumischen, seine größte und einzige Ressource, das Wort, zu nutzen! In Grass‘ bekanntestem Werk, der „Blechtrommel“, werden die Nazis auf Weltliteratur-Niveau vorgeführt; das sind Menschen, die unsere starken Verbündeten gegen Antisemiten sind und bleiben sollten (ich erinnere auch daran, dass Weimar auch daran gescheitert ist, dass sich die, die einander eigentlich nahe sind, einander oft am schlimmsten bekämpfen). S. etwa SPD, USPD; Leztere nannten die SPD „Sozialfaschisten“.

    Was mich sehr enttäuscht, angesichts Ihres sonst meist überzeugenden Engagements (wie ich finde), ist, an einer Kritik, (selbst jenseits der Frage, ob sie treffend ist oder nicht), sogleich antisemitische Art festzumachen – denn das ist selbst aggressivstes Schubladen-Denken, wie es den Nazismus damals groß gemacht hat.

    Zuletzt noch einmal, denken Sie bitte daran, es ist doch nur klar, dass nach den Verbrechen der Nazizeit und der Väterkritik der 68er das Thema Judentum/Israel kein leichtgewichtiges sein *kann! – und dass man auch besonders gut überlegen *sollte*!, was man sagt. Es ist sogar moralisch notwendig (bis zu einem gewissen, die Vernunft nicht einschnürenden Grad).
    Und wenn es dann andererseits so ist, dass Mancher sich nicht traut, sich so kritisch wie gewöhnlich im Politikstreit zu äußern bei einem so brisanten, „aufgeladenen“ Thema – bei dem man ja wirklich eine Menge falsch machen kann,als Deutscher der deutschen Vergangenheit nicht richtig gerecht werden mag), dann *darf das sein* oder *muss sein dürfen* – genauso wie im Umkehrschluss der große Aufklärer Lessing den Nathan sagen ließ: „Niemand muss müssen.“ Und so *darf jeder so denken*, ohne von Ihnen darin eingeschränkt oder diffamiert zu werden.

    Sandor Ragaly

  49. Sandor Ragaly

    PS: In Kürze noch zu Ihrer Antisemitismus-Definition (Pfahl-Traughber) – eine Bewertung:

    Sie lautet (s.o.): „Darunter versteht man eine Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden geltenden Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen, um damit eine Abwertung, Benachteiligung, Verfolgung oder gar Ermordung ideologisch zu rechtfertigen. Anders formuliert: Es handelt sich um eine Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind.“

    Darin wird, bei sonstiger Stimmigkeit, die *Abwertung des Menschen* nur als eine Sache (Ziel von Antisem.) unter Vielen erwähnt. In der Realität, und zwar überhistorisch, ist jedoch der …..

    jemand zugeschriebene GERINGERE WERT ALS (ANDERER) MENSCH
    (allein aufgrund seiner Volkszugehörigkeit/jüdischen Abstammung – oder sonstiger Diskriminierungs-Triebkräfte)

    … tatsächlich doch DER ZENTRALE PUNKT von Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung (von Frauen etc.), also aller dieser, wie man sie nennen könnte: „Ingroup-Outgroup-Aggressionen“, der Verächtlichmachung von Menschen infolge von i.w.S. Gruppendynmaiken des Zugehörens oder Nicht-Zugehörens, des Ausgrenzens von Anderen bzw. Minderheiten, die Def. des eigenen Werts über den vermeintlich höheren Wert gegenüber einem anderen Volk (was m.E. der Grund ist, weshalb z.B. die Aufgabe der bloßen Vorstellung, die Schwarzen seien minderwertig (in den USA) auch in der „normalen“ weißen Bevölkerung für solchen, teils auch „eliminatorischen“ Hass bis in die 1960er hinein sorgte: Der eigene, der Selbstwert, massenhaft definiert als „Plus“ gegenüber den „Niggern“, fiel rasant nach unten, als die Schwarzen nun (in den 60ern) als ebenbürtig gesehen werden sollten.
    Zentral ist mithin *nicht* Pfahl-Traugbers „Es handelt sich um eine Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind“, sondern….

    – Es handelt sich vielmehr um das ***Bewusstsein*** (mit allen, oft auch subtilen Handlungs-Folgen, oder manchmal so gut wie keinen Folgen), dass man selbst, als Nicht-Jude (als Weißer etc.), ***also aufgrund der eigenen, von einem selbst nicht beeinflussten biologischen Gruppenzugehörigkeit*** einen höheren Wert als Mensch hat als der Jude (o.a.) – qua Geburt/Gruppenzugehörigkeit also, wobei die Gruppenbildung den unsinnigsten Merkmalen folgen kann.

    Mit dieser Definition spitze ich auch Pf-T’s Ansatz zu, wonach die Zuschreibung von neg. Eigenschaften zu Gruppen(zugehörigen) zentral sei – dies ist auch im Kern des Problems (der Aspekt der ungültigen Verallgemeinerung), aber solche Zuschreibungen erreichen nicht den Grad des Ernstes, wie im Antisemitismus: Oft wird über die Deutschen gesagt, sie bauten perfekte Autos und seien etwas steif in der Umgangsform – das wäre, wenn es nicht um Deutsche, sondern Juden ginge, nach jener Def. Antisemitismus – ich würde dafür aber coh noch als Kriterium verlangen: dass diese Zuschreibung einzelner neg. Eigenschaften (manchmal mit einem Augenzwinkern) auch einen INGESAMT GERINGEREN WERT DER INDIVIDUEN DER BETR. GRUPPE impliziert…

    Das ist der Kern des Antisemitismus und jedes Ingroup-Outgroup-Verachtens: Dass Menschen daran glauben (wollen), per se mehr oder weniger wert zu sein als ein Anderer, ein demjenigen völlig unbekannter Mensch, der qua seiner Gruppenzugehörigketi aber längst als minderwertig abgeschrieben ist – wie ein kleines Mädchen im Ghetto, das auf der Str. umfällt und nie wieder aufsteht – nur, weil es von Hitler, und zwar letztlich genau von ihm, nicht abstrakter, ***ohne jede pers. Bekanntheit*** dennoch zutiefst gehasst wurde und genau von dem, dem Mädchen völlig unbekannten „Führer“ längst für den Tod ausgesucht war. Weil es um Gruppen ging, niemals das Individuum, dessen Beachtung jeden Nazismus, Rassismus schon quasi per definitonem zerstört.

    Alles Andere ist nur Ableitung…

  50. Sandor Ragaly

    PS II: … Antisemitismus ist nicht, nach Ihrem Autor, die Abwertung etc. von Juden, um eine Feindschaft zu ihnen (als letztlichem Ziel) zu begründen,
    Antismetismus hat den geringeren Wert Anderer (Nicht-Juden) selbst als Gesamtziel. Das ist das Bewussstein, die Vorstellung, die Menschen mit schwachem Charakter, Anlehnungsbedürtigkeit an größere, mächtige Einheiten (Volk u.a.), um die es als Ziel nur geht, das ist das „erhebende Gefühl“, das bloße Wissen, *ohne etwas dafür leisten zu müssen,* qua Geburt/Gruppe „Herrenmensch“ zu sein. Dass das mit Feindschaft zu tun hat, ist klar, aber gar nicht immer: Im Fall des US-Rassismus kam man doch gut aus zwischen Sklave und Herr, wenn sich der Sklave an die Spielregeln hielt. Feindschaft, von Ihrem Autor zentral gesetzt, ist also „nicht der Punkt“, der Punkt liegt im Bewusstsein höheren Werts, der einem (Weißen etc.) einfach so gegeben ist. Wenn man von dem Furchtbaren daran absieht, eine recht bequeme Position…

  51. Sandor Ragaly

    PS III:…nein, weit mehr als das: mehr Wert zu sein, einen *besonderen* Wert (voraus) zu haben, ohne etwas dafür zu tun, erinnert nicht umsonst an den Protestantismus, der keine Taten, nur das Glauben an Gott als Möglichkeit zur Erlösung sieht.
    Und Erlösung (ncoh des gequältesten weißen Arbeiters im öden Alltag ) ist das Wort… Ist der Grund für die Selbstüberhöhung über das Kollektiv – Hitler war keiner, der einen gut fühlen ließ, weil man über den anderen Völkern stand
    – er war einer, der die Menschen (Deutschen) *erlöst* fühlen ließ… Antisemitismus und Rassismus als Heilslehre, natürlich….

  52. Volker Beck Artikelautor

    Sehr geehrter Herr Ragaly,

    per Mail haben Sie um eine Reaktion gebeten. Zur Frage in Ihren Postings:

    „Jeder darf ohne Sanktionen zu Israel sagen, was er will? Die weltöff. Anprangerung Augsteins widerlegt doch an einem krassen Beispiel Ihre “Minitheorie”, oder?“

    Es gilt Meinungsfreiheit. Daher dürfen Sie selbstverständlich sagen, was Sie wollen. Allerdings verweisen wir auf das Kapitel „Antisemitismus in 3D“ im Ursprungstext auf dieser Seite, der darlegt, in welchen Grenzen Kritik an israelischer Politik legitim sein kann. Bezüglich Augstein verweisen wir auf den wohl lesenswertesten Beitrag in der Augstein-Debatte:
    http://www.titanic-magazin.de/heft/2013/januar/essay-augstein/

    Schöne Grüße vom Team Beck

  53. Sandor Ragaly

    Sehr geehrtes Team Beck,

    ich finde es schade, wenn, wie auch zunächst auf meine erste Mail hin geschehen, der konkreten Auseinandersetzung und Argumentation immer nur durch Verweis auf ganze Texte von Ihnen, ohne jede Einzelargumentation vorzubringen, geantwortet wird (Texte von Ihnen, die vermeintlich all das von mir Gesagte immer schon bereits mit umfassen und beantworten, in Wahrheit aber eine 1:1-Messung der Argumente vermeiden sollen). Weshalb antworten Sie nicht auf konkrete Punkte wenigstens bei den wichtigsten oder uns trennendsten Aspekten konkret, anstatt mir ein Modell Ihrer Ansichten en bloc entgegenzustellen, das ich nicht teile? Das ist eine Art Pseudo-Dialog.

    Grüße, Sandor Ragaly

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