Schlagwort-Archiv: Menschenrechte

Bundestag: Free Pussy Riot!

Wie man auch bei SPIEGEL ONLINE lesen kann, ist es uns – gemeinsam mit der Kollegin Marina Schuster (FDP) und den Kollegen Frank Heinrich (CDU) und Christoph Strässer (SPD) – gelungen, auch in der Sommerpause ein starkes Signal an die russische Botschaft zu senden. Insgesamt 121 Abgeordnete aus allen Fraktionen, von CDU bis Linke, haben die interfraktionelle Initiative unterstützt. Das zeigt, wie groß der Unmut über den Prozess gegen Pussy Riot auch im Bundestag ist. Der Bundestag zeigt damit, dass er das unverhältnismäßige Vorgehen der russischen Justiz gegen die Kunstaktionen von Pussy Riot als politisch motivierten Einschüchterungsversuch versteht.

Brief Deutscher Bundestagsabgeordneter an russischen Botschafter (pdf)

German MP’s letter to the Russian ambassador – English version (pdf)

Немецкий депутат в письме послу России – на английском языке (PDF)

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Warum ich dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ im Bundestag zugestimmt habe

Im Bundestag habe ich heute dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger
Jungen“ (Drucksache 17/10331)
zugestimmt. Hier finden Sie meine Erklärung zur Abstimmung gemäß §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (gemeinsam mit Renate Künast, Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt, Ekin Deligöz, Kertin Andreae, Marieluise Beck und Fritz Kuhn). Meine Plenarrede finden Sie als Video auf meiner Homepage www.volkerbeck.de

Erklärung nach §31 GO zum Zusatztagesordnungspunkt 1

Wir stimmen der Forderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist, zu.

Die Rechtsauffassung einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts hat zu tiefgreifender Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und muslimischen Eltern geführt. Bei der Beschneidung von Jungen handelt es sich um einen klassischen Grundrechtskonflikt, der im Wege der praktischen Konkordanz auszugleichen ist, wobei jede Grundrechtsposition optimal zu verwirklichen ist.

Eine Beschneidung ist tatbestandlich – wie jede Operation – eine Körperverletzung, die durch rechtswirksame Einwilligung gerechtfertigt werden kann und dann straffrei ist. Bei Minderjährigen handeln grundsätzlich die Eltern stellvertretend für das Kind und sind dabei an das Kindeswohl gebunden. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und das Recht des Kindes als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, sind jeweils Aspekte des Kindeswohls. Der körperliche Eingriff bei einer Beschneidung ist ein irreversibler Eingriff mit niedriger Eingriffstiefe, soweit er medizinisch fachgerecht durchgeführt wird. Er wird zum Teil auch aufgrund von hygienischen und prophylaktischen Überlegungen durchgeführt. In den abrahamitischen Religionen ist das Beschneidungsgebot das erste und zugleich die Begründung des Bundes mit Gott. Daher ist es für Juden zentral und für die meisten Muslime unverzichtbar.

Der Staat muss bei einer rechtlichen Regelung darauf achten, dass die Beschneidung medizinisch fachgerecht von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Hierdurch verwirklicht er das Kindeswohl und schützt die Gesundheit des Kindes (Art. 2GG). Im Falle einer Illegalisierung der Beschneidung käme es sicher häufiger zu nicht fachgerechten Eingriffen durch unqualifizierte Beschneider. Dies gilt es zu vermeiden. Jüdischer Glaube, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Dies wollen wir heute mit unserer Abstimmung auch zum Ausdruck bringen.

Unterzeichnet von: Volker Beck (Köln), Renate Künast, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Fritz Kuhn, Claudia Roth (Augsburg)

Juden und Muslime in Deutschland brauchen Rechtssicherheit

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung vom 9. Juli 2012

Ein Zwischenruf in der Debatte zur religiösen Beschneidung von Jungen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

in den letzten Tagen erreichten uns viele Reaktionen auf unsere kritische Haltung zum Urteil einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts. Dieses sieht in der Beschneidung der Penisvorhaut (med. Zirkumzision) bei minderjährigen Jungen eine strafbare Körperverletzung, auch wenn die Einwilligung der Eltern religiös motiviert ist. Damit wurde eine Debatte befeuert, die Millionen von Menschen in Deutschland und weit darüber hinaus bestürzt und verunsichert. Diese – soweit uns bekannt – einmalige gerichtliche Entscheidung ist für andere Gerichte und die Staatsanwaltschaften in Deutschland nicht bindend. Sie schafft keine verbindlichen Verhaltensregeln in der Gesellschaft. Mit einem juristischen Kunstkniff (Freispruch für den angeklagten Arzt trotz angeblicher Strafbarkeit wegen eines zu entschuldigenden Verbotsirrtums) wurde eine höchstrichterliche Klärung verhindert.

In der Diskussion müssen die Auswirkungen rechtlicher Diskurse auf unsere multikulturelle Gesellschaft, in der wir Muslimas und Muslime willkommen heißen und uns über die Wiederkehr jüdischen Lebens nach Deutschland freuen, beachtet werden. Wir möchten Weiterlesen

Eine unbeschwerte Party ist in Baku nicht möglich

Vor dem ESC übergab ich dem Botschafter Aserbaidschans ein T-Shirt, auf dem in aserbaidschanischer Sprache das Wort „Menschenrechte“ aufgedruckt ist.

Vor dem ESC übergab ich dem Botschafter Aserbaidschans ein T-Shirt, auf dem in aserbaidschanischer Sprache das Wort „Menschenrechte“ aufgedruckt ist.

Aserbaidschan rückt durch den diesjährigen Eurovision Song Contest in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit. Schon jetzt ist klar, welche Bilder wir hauptsächlich aus dem Staat am Kaspischen Meer zu sehen bekommen werden: imposante neue Gebäude, fröhliche Menschen und eine herrliche Natur. All dies ist auch nicht falsch, denn Aserbaidschan ist ein wunderschönes Land. Doch vieles wird verschwiegen oder vorsätzlich von den Machthabern in Aserbaidschans Hauptstadt Baku vor uns verborgen. Die Bundesregierung – die für gewöhnlich aufgrund diplomatischer Zwänge nicht sonderlich auskunftsfreudig im Bereich von Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten ist – stellt dies in einer Antwort auf meine Kleine Anfrage unter Beweis (hier der Link und hier die englische Version/english Version). Das Gesamtbild, das sich aus diesen Antworten ergibt, ist schrecklich und frustrierend

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Tweet, tweet, tweet, wir haben uns alle lieb.

Auf dem Weg nach Duschanbe auf meiner Delegationsreise nach Tadschikistan konnte ich während des Flugs über die netzpolitische Schwimelei der Union nachdenken (etwas verspätet jetzt im Netz, da hier Nertzanschluss noch keine Selbstverständlichkeit ist, im Gegenteil!). In den Sozialen Netzwerken machen diese dorobaeraltmaiers einen auf gute Laune und digitale Avantgarde. Politisch machen sie für die Freiheit im Netz keinen Finger krum. Man werfe nur einen Blick in die „Internet-Equete“. Hier blogge ich meine Sorgen um die Augenwischerei der Konservativen auf dem Weg in eine große Koaltion. Und wenn alles schief läuft, sind die Piraten objektiv betrachtet (Nolens volens) dabei ihre Steigbügelhalter. Weiterlesen

Pipio ergo sum.

[Der Beitrag ist modifiziert am 31.10.2011 unter dem Titel „Netzanschluss ist Menschenrecht“ im Feuilleton der FAZ erschienen]

Mit dem Internetzeitalter wächst Paul Valérys Satz „man muß sich darauf gefaßt machen, daß so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern“ erst zu seiner Größe heran. Walter Benjamin stellt dieses Zitat seinem wegweisenden Werk „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ voran. Benjamins These ist, die Kunst und ihre Rezeption seien besonders durch die Entwicklung von Photographie und Film, also der Möglichkeit der massenhaften Reproduktion und der veränderten Abbildung der Wirklichkeit und damit einer veränderten kollektiven Wahrnehmung, selbst einem Wandel unterworfen. Die Neuerungen haben heute nicht nur die gesamte Technik der Künste verändert, sondern die Welt in ihrer Gänze. Diktaturen stürzen in sich zusammen, weil die Menschen dank Google, Facebook und Twitter plötzlich von Werten wie Demokratie und Menschenrechten erfahren und sich im Netz organisieren. Nahezu unbegrenzt ist der Zugang zu nützlichen oder vielen irrelevanten Informationen. Suchmaschinenfirmen, die uns helfen dieser Informationsflut Herr zu werden, entwickeln sich zu den politisch und wirtschaftlich mächtigsten Unternehmen der Welt. Der Zugang zu Kunst und Kultur entkoppelt sich zunehmend vom Einkommen, auch wenn dies zum Teil sehr zum Leidwesen der Kulturschaffenden geschieht. Weiterlesen

Die Freiheit des (Christen)Menschen und die Sexuallehre der römisch-katholischen Kirche

Der Papst vermag in seiner (Menschenrechts)Politik nicht zwischen der althergebrachten Sexuallehre und der römisch-katholischen Kirche zu unterscheiden. Da wo der Vatikan seine Vorstellungen von Familienrecht und Sexualpolitik zur Grundlage der für alle geltenden Gesetze zu machen sucht, verletzt er auch die negative Glaubensfreiheit aller derjenigen, die nicht an die Lehren seiner Kirche glauben können oder wollen.

Das II. Vaticanum war weiter als das Lehramt heute

Rom war schon einmal weiter. Das 2. Vatikanische Konzil hat in seiner großen Erklärung zur Religionsfreiheit DIGNITATIS HUMANAE erstmals die theologische Bedeutung der Glaubensfreiheit für die Kirche formuliert.

„Weil die Menschen Personen sind, d.h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, werden alle – ihrer Würde gemäß – von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen. Der Mensch vermag aber dieser Verpflichtung auf die seinem eigenen Wesen entsprechende Weise nicht nachzukommen, wenn er nicht im Genuss der inneren, psychologischen Freiheit und zugleich der Freiheit von äußerem Zwang steht. Demnach ist das Recht auf religiöse Freiheit nicht in einer subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrem Wesen selbst begründet. So bleibt das Recht auf religiöse Freiheit auch denjenigen erhalten, die ihrer Pflicht, die Wahrheit zu suchen und daran festzuhalten, nicht nachkommen, und ihre Ausübung darf nicht gehemmt werden, wenn nur die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt bleibt.“

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Objektiv ungeordnet: Das Verhältnis des Vatikan zu den Menschenrechten

Allerorten wird über die Papstrede im Bundestag diskutiert. Der Deutsche Bundestag hatte mit den Stimmen von Linken, SPD und Koalition im Ältestenrat Einvernehmen zur Einladung des Bundestagspräsidenten hergestellt. Damit verließ der Bundestag seine restriktive Praxis bei der Einladung an ausländische Staatsgäste: Bisher sprachen im Plenum nur Repräsentanten Israels und der ehemaligen Kriegsgegner – eine wichtige Geste der Aussöhnung.

Ich erwarte, dass der Bischof von Rom sich seiner Rolle als ausländischer Staatsgast bewusst ist und der Versuchung widersteht, sich in deutsche Innenpolitik einzumischen: Wir verbitten uns die Einmischung der deutschen Innenpolitik. Das deutsche Familienrecht und unsere HIV-Prävention geht den Staatsgast nichts an!

Stattdessen wäre aber in Sachen Menschenrechte vom Vatikanstaat dringend eine Klarstellung erforderlich:

Immer wieder setzt sich Rom aktiv für die Diskriminierung von Lesben und Schwulen aktiv ein. Ob Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen, Antidiskriminierungsgesetze oder rechtliche Regelungen für homosexuelle Partnerschaften, immer war Rom Gegner der Verwirklichung unserer Menschenrechte.

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Irgendwas wird schon hängen bleiben – oder Denunziation durch Dementi

Trotz allem Reden über Toleranz verbreiten die Medien noch immer Vorurteile über Schwule. Ein besonders beliebter Trick ist es, sich Vorurteile nicht zu Eigen zu machen, sondern Anrüchiges in Form des Dementis mit Personen in Verbindung zu bringen.

Elmar Kraushaar hat dies am Dienstag dieser Woche in der taz richtig darlegt: „Wollen die, denen die wüsten Bilder über homosexuelles Treiben trotz allen Wandels nicht aus dem Kopf gehen, immer noch zuschlagen, müssen sie ein bisschen tiefer in die Klischee-Kiste greifen. So wie uns das Florentine Fritzen unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorgemacht hat. Ihr Thema: das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Dazu fasst sie routiniert den Stand der politischen Debatte zusammen und landet zwangsläufig bei Volker Beck, dem engagiertesten Schwulenpolitiker hierzulande. Der schwule Beck und Kinder? Die Autorin fängt an zu stottern. Da war doch was! 1988! Da sei Beck für die „zumindest teilweise Entkriminalisierung von Pädosexualität“ eingetreten. Zwar habe sich, auch das weiß Frau Fritzen, Beck seitdem mehrfach davon distanziert, aber was solls. Um einen Schwulen ins falsche Licht zu setzen, reicht das Stichwort „Pädosexualität“ allemal aus, auch wenn das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Irgendwas wird schon hängen bleiben!“

Die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Transgendern sind für viele konservative Kreise noch immer kein ernsthaftes Thema. Das sagt man nur noch selten und genauso und geradeheraus. Man greift zu einem rhetorischen Kniff. Man sagt, was man nicht vorwerfen will, um es damit zu kolportieren. Beispiel?

Am Montag berichtete die Wirtschaftswoche über meine Einzeldienstreisen u.a. zum CSD in Moskau und zu einer Konferenz in Tel Aviv. Abgesehen davon, dass der Autor falsche Behauptungen in Umlauf setzt, schreibt er: „Natürlich ist es heikel, Beck Lustreisen vorzuwerfen, zumal er etwa auf seinen regelmäßigen Besuchen des Moskauer Festivals der Homo-, Bi- und Transsexuellen immer wieder von rechten Gegendemonstranten verprügelt und manchmal von der Polizei festgesetzt wurde.“ Lustreisen? Festival? Heikel? Irgendwas wird schon hängen bleiben!

Zu Tode gehasst – im Namen der Kunst?

Kunst ist eine Tochter der Freiheit –  sagte Friedrich Schiller. Die Kunst darf provozieren und muss Freiheiten haben, die über die Grenzen des guten Geschmacks und der akzeptierten Formen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung hinaus gehen. Was im Alltag obszön oder beleidigend ist, kann auf der Bühne zum Nachdenken anregen. Was aber, wenn sich der Hass der Kunst bemächtigt und in ihrem Namen zu Gewalt gegen Minderheiten aufruft?

Am kommenden Wochenende wird in Bayern ein solcher Hasssänger auftreten. „Sizzla“ ist Großmeister des Reggae-Dancehall und mit weit über 40 Alben einer der bekanntesten und auch materiell erfolgreichsten Sänger Jamaikas. Die wenigsten seiner Fans wissen jedoch von seiner dunklen Seite – zumindest in Deutschland, wo die wenigsten Patois wirklich verstehen. Denn Sizzla ruft in mehreren seiner Songs zu Gewalt und Mord gegen Schwule und Lesben auf: Weiterlesen