Schlagwort-Archiv: Internetsperre

Tweet, tweet, tweet, wir haben uns alle lieb.

Auf dem Weg nach Duschanbe auf meiner Delegationsreise nach Tadschikistan konnte ich während des Flugs über die netzpolitische Schwimelei der Union nachdenken (etwas verspätet jetzt im Netz, da hier Nertzanschluss noch keine Selbstverständlichkeit ist, im Gegenteil!). In den Sozialen Netzwerken machen diese dorobaeraltmaiers einen auf gute Laune und digitale Avantgarde. Politisch machen sie für die Freiheit im Netz keinen Finger krum. Man werfe nur einen Blick in die „Internet-Equete“. Hier blogge ich meine Sorgen um die Augenwischerei der Konservativen auf dem Weg in eine große Koaltion. Und wenn alles schief läuft, sind die Piraten objektiv betrachtet (Nolens volens) dabei ihre Steigbügelhalter. Weiterlesen

Pipio ergo sum.

[Der Beitrag ist modifiziert am 31.10.2011 unter dem Titel „Netzanschluss ist Menschenrecht“ im Feuilleton der FAZ erschienen]

Mit dem Internetzeitalter wächst Paul Valérys Satz „man muß sich darauf gefaßt machen, daß so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern“ erst zu seiner Größe heran. Walter Benjamin stellt dieses Zitat seinem wegweisenden Werk „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ voran. Benjamins These ist, die Kunst und ihre Rezeption seien besonders durch die Entwicklung von Photographie und Film, also der Möglichkeit der massenhaften Reproduktion und der veränderten Abbildung der Wirklichkeit und damit einer veränderten kollektiven Wahrnehmung, selbst einem Wandel unterworfen. Die Neuerungen haben heute nicht nur die gesamte Technik der Künste verändert, sondern die Welt in ihrer Gänze. Diktaturen stürzen in sich zusammen, weil die Menschen dank Google, Facebook und Twitter plötzlich von Werten wie Demokratie und Menschenrechten erfahren und sich im Netz organisieren. Nahezu unbegrenzt ist der Zugang zu nützlichen oder vielen irrelevanten Informationen. Suchmaschinenfirmen, die uns helfen dieser Informationsflut Herr zu werden, entwickeln sich zu den politisch und wirtschaftlich mächtigsten Unternehmen der Welt. Der Zugang zu Kunst und Kultur entkoppelt sich zunehmend vom Einkommen, auch wenn dies zum Teil sehr zum Leidwesen der Kulturschaffenden geschieht. Weiterlesen

Ironie on // Wer hat uns verraten? Die Piraten! Wer war mit dabei? Die Linkspartei! // Ironie off


Grafik: tagesschau.de

Rot-Grün. Der politische Wechsel war in NRW zum Greifen nah. Ein Sitz fehlte uns bei der Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses. Das ist ärgerlich. Sind es doch letztlich die Stimmen für Linkspartei und Piratenpartei, die Rüttgers im schlimmsten Fall den Machterhalt sichern. Die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit ist zumindest gebrochen. Doch die politische Erneuerung wird es in NRW nun schwer geben – doch kein Weg ist uns zu weit oder holprig. Deshalb sondieren wir in dieser Woche ein rot-grün-rotes Bündnis. Doch falls es nicht klappt, und sind wir mal ehrlich, liebe PiratInnen und Linke: euch und euren Anhängern wäre eine rot-grüne Mehrheit doch auch lieber als eine große Koalition, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz, oder?

Doch darf man das überhaupt sagen oder begibt man sich damit schon auf das Feld der „Wählerbeschimpfung“, wenn man sagt, dass es Stimmen für Linke und Piraten vermasselt haben? Am Wahlabend entfachte ein Tweet dazu eine Debatte, die ich nicht auf 140 Zeichen pro Argument begrenzen möchte.

Das Corpus Delicti:

mehr als verdoppelt. SUPER, zittern fuer rot-gruen. Wenn es nicht klappt haben es linken- und piratenwaehler vermasselt.

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Schnodderschnauze Wiefelspütz für weitgehende Ausdehnung der Internetsperren

Schnodderschnauze Wiefelspütz hat es ausgeplaudert: Die große Koalition ist sich einig über Internetsperren zu vielfältigen Zwecken. Der Zweck, den Zugang zu Kinderpornographie im Internet zu erschweren, ist nur der Anfang und Vorwand, um den Widerstand gegen die Einführung der Sperrtechnologie zu brechen.

Die Musikindustrie fordert schon lange die Internet-Sperre zum Schutz gegen Tauschbörsen. Und aus dem Bundeskabinett gibt es vielfältige Begehrlichkeiten von Schavan bis Zypries: Der Wunschzettel für Sperren reicht von Verboten von Gewaltspielen und -videos bis zum Schutz des Urheberrechtes.

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Bild: flickr.com (kirk lau / creative commons)

Die Kritiker von Frau von der Leyen haben es schon immer gesagt. Die innenpolitische Plaudertasche der SPD, Dieter Wiefelspütz, hat sich nun verplappert und gesagt, wo die Reise hingeht. Er kann sich vorstellen, auch Seiten mit verfassungsfeindlichen oder islamistischen Inhalten zu blocken, sagte der SPD-Kollege. Wohlgemerkt, er will nicht gegen die Inhalte und Betreiber vorgehen. Er will uns aber den Zugang zu Informationen über die Feinde der Demokratie sperren. Deutsche sollen sich nicht mehr über die Umtriebe von Hamas oder Hisbollah aus erster Hand informieren können.

Das sieht die Union nicht prinzipiell anders. Aber Wolfgang Bosbach ist geschickter und verquasselt sich nicht. Er hält „es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät”. Selbstentlarvend genug: erstmal! Er weiß: Beim Thema Kinderpornographie will jeder frei von dem Verdacht sein, er könnte ihrer wirksamen Bekämpfung irgendwie im Wege stehen; deshalb lässt sich unter diesem Vorwand die Sperrtechnologie am leichtesten aufbauen. Ist sie einmal da, muss man nur noch ihren Anwendungsbereich erweitern.

Wir Grünen wollen eine freie Internetkultur. Diese wird aber immer öfter bedroht. Den Vorschlägen zur Einführung von Internetsperrlisten und den Aufbau einer umfassenden Sperrinfrastruktur erteilen wir eine klare Absage, da sie rechtsstaatlich und technisch unverantwortlich sind.

Es ist wahr: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Deshalb muss die Verfolgung von Straftaten im Internet intensiviert werden. Dazu bedarf es vor allem einer besseren technischen Ausstattung der Behörden und einer personellen Aufstockung von Fachkräften. Wir wollen Ermittler, für die das Internet kein Fremdwort ist, sondern die schnell und wirksam Taten verfolgen. Bei Straftaten wie der Verbreitung von Kinderpornografie oder nationalsozialistischer Propaganda im Netz streiten wir für eine schärfere Verfolgung der Täter – vor allem durch eine bessere internationale Kooperation zwischen den Staaten beispielsweise durch vergleichbare Rechtsvorschriften oder gleiche Standards. Inhalte wie Kinderpornografie müssen aus dem Netz gelöscht werden, sobald sie bekannt sind, den Zugang zu ihnen zu erschweren nützt nichts.

Grün wählen!

In Brüssel und Berlin werden in den nächsten Jahren wichtige Weichen für die weitere Entwicklung des Netzes gelegt. Union und SPD hat mit Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und nun den Internetsperren die Freiheit des Netzes und seiner User immer wieder angegriffen.

Wer die Freiheit im Netz verteidigen will, muss diese beiden Parteien abwählen. Aber auch in der Opposition ist nicht alles Gold, was glänzt. Die FDP, die im Bund in der Opposition ähnliche Positionen wie die Grünen vertritt, hat mit ihrem NRW-Innenminister Wolf und seinem verfassungswidrigen Gesetz das Copyright für die Online-Durchsuchung inne. Und der PDL wurde der Kampf für Freiheitsrechte auch nicht gerade an der Wiege gesungen. Das zeigte sich auch wieder, als ihr Bundestagsabgeordneter Lutz Heilmann wegen einem unliebsamen Artikel kurzerhand die deutsche Domain von wikipedia sperren ließ.

Wer die Freiheit des Internet verteidigen will, hat eigentlich am 7.6. und am 27.9. nur eine Wahl: Grün!

Zweifel am Instrument der Internetsperre angebracht

Zweifel am Instrument der Internetsperre angebracht

Die Bundesregierung strebt bekanntlich eine Blockade von Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten an. Dazu sollen Provider einen Kooperationsvertrag mit dem Bundeskriminalamt schließen. Geregelt werden soll darin, dass das BKA eine Liste von zu blockierenden Seiten zusammenstellt, zu denen der Zugang durch die Provider versperrt werden soll.

So unterstützenswert jedes Engagement zur Bekämpfung von Kinderpornographie auch ist, die Pläne der Bundesregierung werfen erhebliche Zweifel ob ihrer technischen Realisierungsfähigkeit auf. Experten warnen auch vor der Gefahr, dass das Instrument peu a peu auf andere Bereiche ausgedehnt wird.

Ziel muss sein, Kinderpornographie aus dem Netz zu verbannen. Man darf sich nicht damit zufrieden geben, lediglich den Zugang zu den Inhalten zu erschweren.

Ich habe die Pläne der Bundesregierung zum Anlass genommen, um die federführende Bundesfamilienministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen nach Einzelheiten zu fragen.

In der Fragestunde am 21.01.2009 (vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16199.pdf) habe ich die Ministerin u.a. folgendes gefragt:

„Können Sie sagen, welche Länder an vorderster Stelle liegen, was das Einstellen von Kinderpornografie ins Internet angeht, und welche Initiativen die Bundesregierung ergriffen hat? Mit den betreffenden Ländern müsste man sich außenpolitisch ins Benehmen setzen, damit die Rechtslage geändert wird. Sie haben nur von Ächten gesprochen. Es geht aber um die Frage, ob es strafrechtlich verboten ist und wie die Verbote umgesetzt werden. Welche Länder fallen als Hauptprovider auf? Wenn Sie die erwähnte andere Strategie verfolgen, dann müssten sie Ihnen unmittelbar präsent sein.“

Frau von der Leyen antwortete wie folgt:
„Sie fragen nach den unterschiedlichen Rechtslagen. Es gibt rund 200 Länder auf unserem Globus. Wenn ich sage, dass Kinderpornografie in der Hälfte der Länder geächtet ist, dann bedeutet das, dass dieses Thema in irgendeiner Form in der Rechtssystematik dieser Länder aufgegriffen worden ist. Ich kann Ihnen aber jetzt über diese 100 Länder und die Rechtssystematiken im Detail keine Auskunft geben.“

Auf meine Frage, „Können Sie das im Nachgang machen?“, versprach mir die Ministerin: „Im Nachhinein gerne. Es gibt Daten von der Weltkonferenz in Rio.“

Erst auf mehrfaches telefonisches Nachfragen im Familienministerium erhielt ich rund einen Monat (!) später vom parlamentarischen Staatssekretär Dr. Hermann Kues folgende Informationen:

Download des Schreibens von Staatssekretär Kues

Eine Antwort, die mich alles andere als zufrieden gestellt hat. Sogleich habe ich beim Ministerium nachgehakt und in einem erneuten Schreiben vom 19.02.2009 – auf das ich bis heute keine Antwort bekommen habe – folgendes gefragt:
„Bedauerlicherweise sind meine Fragen aus der Fragestunde nicht ansatzweise beantwortet worden. Ich hatte sowohl nach internationalen Vergleichsdaten hinsichtlich der Einstellung von Kinderpornografie ins Internet gefragt als auch nach den unterschiedlichen Rechtslagen. Die Ministerin hatte hier auf Informationen „von der Weltkonferenz in Rio“ verwiesen, die Sie mir versprach „im Nachhinein“ zukommen zu lassen.
Zum besseren Verständnis präzisiere ich gerne noch einmal meine Fragen:

Welche Länder sind die quantitativ wichtigsten Länder (mindestens nach Bedeutung die 50 wichtigsten) als Einsteller Bereitsteller von Kinderpornographie?

Wie ist die Rechtslage in diesen Ländern jeweils?
Warum wird Kinderpornographie nicht strafrechtlich verfolgt?

Welche konkreten diplomatischen Demarchen hat die Bundesregierung wann ggf. gegenüber diesen Ländern unternommen, um eine Verfolgung dieser Straftaten anzuregen oder durchzusetzen? Was war die Reaktion jeweils?

Wurden von Ländern, die Internetsperren praktizieren auch deutsche Seiten gesperrt? Warum und welche?“

Wer diese Fragen nicht zügig beantworten kann, befand die Alternativen zu einer Internetsperre offensichtlich nicht der Prüfung wert.
Ich bleibe gespannt auf die Antwort.
In der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sind wir bei dem Instrument der Internetsperre sehr skeptisch.

Fortsetzung vom 31.03.2009

Bis heute keine Antwort – am 31.03.2009 folgende Schriftliche Fragen eingereicht:

1.) Auf welche Weise, insbesondere im Hinblick auf Zeitpunkt, Inhalt, Form, Grund für Verzögerung der Beantwortung, wird die Bundesregierung meine Fragen (http://beckstage.volkerbeck.de/2009/03/06/zweifel-am-instrument-der-internetsperre-angebracht/) aus der Befragung der Bundesregierung vom 21.01.2009 und aus meinem Schreiben an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Dr. Ursula von der Leyen vom 19.02.2009 beantworten und warum konnte die Bundesregierung bislang keine Aussage dazu machen, was sie gegen die Einstellung von Kinderpornographie ins Internet im Rahmen der internationalen juristischen Zusammenarbeit unternimmt und welche Länder als Haupteinsteller Länder (Sitz des Servers=Tatort / Rechtslage am Tatort) das Problem hauptsächlich verursachen?

2.) Wie reagiert die Bundesregierung auf die Aussage, dass die meisten bislang wegen Kinderpornographie gesperrten Seiten auf Servern in USA, Kanada, Australien, Europa, einschließlich Deutschland (sic!), (http://scusiblog.org/?p=330 ; http://netzpolitik.org/2009/schwedische-filterliste/) liegen sollen und diese nicht aus dem Netz genommen, sondern nur gesperrt werden, und was will sie konkret unternehmen, damit in diesen Regionen und in Deutschland überhaupt keine kinderpornographischen Inhalte mehr in das Internet eingestellt werden bzw. die Einstellung unterbunden und verfolgt wird?