Schlagwort-Archiv: Deutschtümelei

FAQ zu Religionsfreiheit

Am 14. Dezember 2015 war ich bei PHOENIX zu einer TV-Diskussion mit dem israelischen Botschafter bei der Sendung „Unter den Linden“ zum Thema „Gewalt und Intoleranz – Unsere Freiheit im Visier des Terrors“. Seitdem erhitzen sich die Gemüter, weil ich die Frechheit besaß, in einem Nebensatz das Grundrecht auf Religionsfreiheit auch für Juden und Muslime einzufordern. Ich sagte:

Moderatorin: „Sie sagen gleichzeitig keine Obergrenze hier in Deutschland, Sie sagen das ist eine europäische Aufgabe. Wenn so viele Leute nach Europa oder auch hier nach Deutschland kommen, würden Sie sagen, die Zuwanderung durch die Moslems kann auch unser Wertesystem in irgendeiner Form verändern?“

Ich: „Unser Wertesystem ist ja nicht Christentum, Judentum oder Islam oder Atheismus. Unser Wertesystem ist das Grundgesetz. Und das muss für alle Anhänger von Weltreligionen gelten, das muss auch für alle akzeptiert werden. Das gilt aber übrigens auch für die deutschen Christen oder Atheisten, die nicht ertragen wollen, dass Juden oder Muslime andere religiöse Vorstellungen haben, die sie praktizieren wollen, ohne dass sie die Rechte von Dritten einschränken. Mit religiösen Kopfbedeckungen, mit der Frage des religiös begründeten Schächtens von Tieren, Beschneidung und dergleichen. Das sind alles Sachen, wo auch ein Respekt der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den religiösen Vorstellungen und Vorschriften von Minderheitsreligionen notwendig ist. Also auch das gehört zum Respekt vorm Grundgesetz. Genauso wie ich erwarte, dass jeder, der hier her kommt, selbstverständlich die Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptiert, selbstverständlich die Rechte von Homosexuellen akzeptiert und weiß, dass in unserem Land Auseinandersetzungen friedlich mit Argumenten zivil ausgetragen werden und nicht mit Gewalt. Das sind Selbstverständlichkeiten. Und Selbstverständlichkeiten gelten für alle. Für die Deutschen, die schon lange hier sind, wie für die Menschen, die aus Gründen der Migration oder der Flucht noch neu zu uns kommen.“

Ich möchte deshalb hier die Gelegenheit nutzen, auf die häufigsten Bedrohungen, Vorwürfe und Argumente einzugehen:

  1. „Man sollte Volker Beck schächten!“
  2. „Nicht wir müssen uns den Flüchtlingen anpassen, sondern die einzig und alleine uns.“
  3. „Wir sind Deutsche in Deutschland. Hier gelten unsere Gebräuche und Religionen.“
  4. „Sie wollen das Schächten legalisieren!“
  5. „Also lassen sie bitte diesen Gedanken, an das schächten fallen, sonst verlieren sie auf alle Fälle unsere Wählerstimmen.“
  6. „Gesetze sollten/müssen dann wieder geändert werden, wenn sie von einer breiten Mehrheit in einer Demokratie nicht mitgetragen werden.“
  7. „Ich will erstmal deutlich machen, dass ich kein Rassist bin […] Das Schächten von Tieren, also das töten von Tieren OHNE vorherige Betäubung, ist barbarisch und unmenschlich.“
  8. „Ich bin kein Antisemit, aber…“
  9. „Ist das wirklich Ihr Ernst, daß Sie die religiöse Beschneidung von Frauen in Deutschland tolerieren wollen?“
  10. „Soweit eine Beschneidung bei männlichen Kindern nicht aus medizinischen Gründen erforderlich ist, ist und bleibt es eine Körperverletzung“
  11. „Musliminnen, die durch das Kopftuchtragen in immer extremeren Formen und Auswüchsen ihre Religion zur Schau tragen, werden kein Mitglied der deutschen Gesellschaft werden“
  12. „Wer hier in Deutschland bei uns Schutz sucht und hier leben möchten, der hat unsere Gesetze zu akzeptieren – ohne Wenn und Aber – BASTA BASTA BASTA !!“
  13. „Sehr geehrter Herr Özdemir!“
  14. „Sie sollten sofort zurücktreten“

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Wer lügt, der fliegt.

Unter der Überschrift „Zuwanderung: Keine Belege für Einfall ins Sozialsystem“ berichtet heute die Frankfurter Rundschau über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion, die Sie hier zum Download finden. Die Bundesregierung muss nun einräumen, dass es keine empirischen Hinweise auf die Relevanz eines Problems des Sozialmißbrauch oder von angeblicher „Armutszuwanderung“ gibt. Für das gesamte Jahr 2012 gibt es in der polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt 112 Fälle von Tatverdächtigen aus Rumänien (74) und Bulgarien (38), denen Sozialleistungsbetrug vorgeworfen wurde. Selten war die Kluft zwischen Stammtischparolen und Fakten größer. Wer so wider der Empirie Stimmung macht, schadet dem gesellschaftlichen Frieden und dem Ziel eines modernen und offenen Europas, für das auch Unions-Politiker einst kämpften. Die Kampagne der Union wirkt abschreckend auf Fachkräfte aus dem Ausland und schadet so auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

Interessant ist die Antwort auf Frage 2.:

2. Wie viele Fälle von „Sozialbetrug“ wurden bislang in Bezug auf diese Personengruppe festgestellt und welche Rückmeldungen aus den Kommunen gibt es seit Jahresbeginn hinsichtlich der Zuwanderung von rumänischen und bulgarischen Bürgerinnen und Bürgern?

Antwort der Bundesregierung:

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat mitgeteilt, dass sie im Jahr 2013 insgesamt im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch 55.431 Verdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft oder die Behörden der Zollverwaltung abgegeben hat. Über die Zahl der von den zugelassenen Trägern abgegebenen Verdachtsfälle liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Im gleichen Zeitraum hat die BA im Bereich der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch 32.929 Verdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft oder die Behörden der Zollverwaltung abgegeben. […] Für das Jahr 2012 sind in der PKS zum Betrug zum Nachteil von Sozialversicherungen und Sozialversicherungsträgern (Schlüsselnummer 517700) neun bulgarische und 14 rumänische Tatverdächtige sowie zum (sonstigen) Sozialleistungsbetrug (soweit nicht unter Schlüssel 5177 zu erfassen; Schlüsselnummer 517800) 29 bulgarische und 60 rumänische Tatverdächtige erfasst. Die Daten der PKS für das Jahr 2013 werden am 4. Juni 2014 bekannt gegeben. […]

Die CSU hat offenbar Angst vor der AfD und läuft ihr deshalb hinterher. Scheuer fordert nun offenbar Lucke heraus, wer im Europawahlkampf den faktenfreisten Rechtspopulismus präsentiert. Anders erklärt sich nicht, warum die CSU dieses Thema zum Wahlkampfthema machen möchte. So wird die AfD stark gemacht und sie könnte bundesweit vor der CSU liegen. Trotz ressortübergreifendem Suchen enthält auch der Staatssekretärsbericht der Bundesregierung keine empirischen Hinweise auf die Relevanz eines Problems des Sozialmißbrauch oder von angeblicher „Armutszuwanderung“.  Auf Anfrage konnte die CSU-Landesregierung in Bayern nur 12 Fälle von Sozialmissbrauch von Rumänen und keinen Fall von Bulgaren belegen.

Die Behauptung, es gebe den Osterhasen wirklich, wäre seriöser.

 

Sarrazin und die Meinungsfreiheit

Foto von txmx 2 (CC BY-NC-ND 2.0)

Foto von txmx 2 (CC BY-NC-ND 2.0)

Sarrazins Masche ist die ewig gleiche Leier des rechten politischen Randes: Die Rechtspopulisten spielen sich als Opfer auf und kommen sich besonders mutig in der Rolle des angeblichen Tabubrechers vor!  Deshalb kämpfen sie, selbsternannte Widerstandskämpfer, gegen einen angeblichen „Tugend- und MeinungsterrorWer Minderheiten diskriminiert, herabwürdigt oder ihnen gleiche Rechte und Würde abspricht und dafür Kritik und Gegendemonstrationen erntet, erlebt in den Augen dieser Rechten nicht etwa legitime Reaktionen aus einer demokratischen Zivilgesellschaft, sondern wird politisch verfolgt von den Meinungs- und Tugendterroristen der politischen Korrektheit.

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut – zu recht. Von der medialen Kritik gepuscht, kann jemand wie Sarrazin mit seinen kruden Thesen sogar zum Bestsellerautor avancieren. Das sich gerade ein Bestsellerautor wie Sarrazin über einen Mangel an Meinungsfreiheit beklagt und keinen Widerspruch darin sieht, dass er seine Bücher gern im Vorabdruck über SPIEGEL und BILD bewerben darf und im Anschluss durch die Talkshows der Nation tingelt, lässt sich zumindest mit sarrazinscher Rassenbiologie nicht erklären. Wie es Herr Sarrazin selbst mit der Meinungsfreiheit hält, hat er in Leipzig gezeigt, als er bei der Compact-Konferenz u.a. gemeinsam mit Personen wie der Duma-Abgeordneten Elena Misulina, der Autorin des Gesetzes der Russischen Föderation gegen Homo-„Propaganda“, auftrat. Ein Einsatz für die Meinungsfreiheit und gegen dieses Zensurgesetz ist von Sarrazin nicht überliefert. Weiterlesen

Pojednanie? A gdzie tam.

FDP, partie chadeckie i SPD wybrały dzisiaj w Bundestagu członków rady fundacji „Fundacja Ucieczka, Wypędzenie, Pojednanie“ (Drs. 17/2415) – podczas gdy przeciw tej propozycji głosowali deputowani Parti Zielonych i Lewicy. Początkowo członkiem rady Fundacji chciała być wybrana Erika Steinbach (przewodnicząca Związku Wypędzonych (Bund der Vertriebenen = BdV) i deputowana do Bundestagu z ramienia CDU). Zostało to – trzeba przyznać, słusznie – udaremione przez ministra spraw zagranicznych Westerwelle przez złożenie weta. A jednak presja ze stronny lobbystów, wywierana zwłaszcza na CSU, spowodowała, że Rząd Federalny się ugiął. Steinbach zrezygnowała wprawdzie z funkcji członka w radzie Fundacji, otrzymała za to podwójną liczbę miejsc w radzie dla członków Związku Wypędzonych – należy zaznaczyć, że więcej niż Niemiecki Bundestag. A Rząd Federalny zrezygnował ze swego prawa weta. W konsekwencji Związek Wypędzonych oddelegował dzisiaj do rady Fundacji tych przedstawicieli, którzy mu odpowiadają. Pytanie, czy osoby te będą służyły celowi Fundacji, jakim jest pojednanie z naszymi wschodnioeuropejskimi sąsiadami, czy uznają fakty historyczne, jak winę Niemiec za rozpętanie wojny, było większości deputowanych do Bundestagu obojętne. Głosowali za przyjęciem propozycji.

Warto przyjrzeć się bliżej dwóm przedstawicielom Związku Wypędzonych: Weiterlesen

Versöhnung? Nix da.

FDP, Union und SPD haben heute im Bundestag die Mitglieder des Stiftungsrates der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (Drs. 17/2415) gewählt – gegen die Stimmen von Grünen und Linkspartei. Ursprünglich wollte Erika Steinbach (Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) und CDU Bundestagsabgeordnete), in den Stiftungsrat. Dies konnte, zugegeben richtiger Weise, Außenminister Westerwelle mit einem Veto verhindern. Doch der Lobby-Druck, insbesondere auf die CSU, lies die Bundesregierung einknicken. Steinbach verzichtete auf ihren Sitz im Stiftungsrat, bekam dafür aber für den BdV doppelt soviele Sitze – im übrigen auch mehr als der Deutsche Bundestag. Und die Bundesregierung gab ihr Veto-Recht auf. Die Konsequenz: der BdV bekam heute die Vertreter in den Stiftungsrat, die ihm passen. Ob diese Personen dem Stiftungszweck der Versöhnung mit unseren östeuropäischen Nachbarn dienen oder historische Tatsachen wie die Kriegsschuld Deutschlands anerkennen, waren der Mehrheit des Deutschen Bundestags heute egal. Sie stimmten zu.

Ein Blick auf zwei BdV-Vertreter lohnt sich:

Hartmut Saenger, Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft, relativierte die deutsche Kriegsschuld in einem Gastbeitrag am 29.08.2009 in der Pommerschen Zeitung. Darin bezieht er sich auf den Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof und offen auf dessen geschichtsrevisionistiches Buch „1939. Der Krieg, der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum zweiten Weltkrieg“. Saenger sieht, wie Schultze-Rhonhof, die Schuld bei Polen, dass sich nach seiner Aussage in den 1930er Jahren „besonders kriegerisch aufführt“. Schultze-Rhonhof gilt allgemein als geschichtsrevisionistischer Autor, der von der Manipulation von amtlichen Akten im Auswärtigen Amt ausgeht, um die Schulbuchverlage dazu zu zwingen, die deutsche Alleinschuld am zweiten Weltkrieg zu vermitteln. Er verglich zudem das Bundesverfassungsgericht als Volksgerichtshof. Nachdem Bischof Huber den Ausschlus Martin Hohmanns aus der CDU begrüßte, trat Schultze-Rhonhof für die „Amtszeit Hubers“ aus der evang. Kirche aus. Er unterhält zudem Kontakte zu revisionistischen, rechten bis rechtsextremen Organisationen. Das ist der Geist, den ebenfalls Saenger atmet, wenn er zudem schreibt:

„Oft genug geschieht das [die Beschreibung der Vorgänge am 1. September 1939] unter Kurzformeln wie: ‚…der vom nationalsozialistischen Regime entfesselte Weltkrieg‘. Solche Kurzformeln werfen naturgemäß mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Stand für die damaligen Mächte in Europa, zumal den Diktaturen wie Sowjetrussland, Polen oder Italien das nationalsozialistische Regime im Fokus oder das wieder erstarkte Deutsche Reich? Gehören zum Entfesseln eines Krieges nicht Bündnisse? Und schließlich: Wie kann aus einem Streit um Zugangsrechte und eine Stadt wie Danzig, die damals völkerrechtlich weder zu Polen noch zum Deutschen Reich gehörte, ein Weltkrieg zwischen allen Großmächten entstehen?“

Aber das Deutsche Reich war – zumal im Bündnis mit Rußland – für England in Europa zu stark geworden. Frankreich und England erklärten am 3. September 1939 dem Deutschen Reich den Krieg, nacheinander folgten die Commonwealthmächte von Australien bis Kanada. Erst England machte den Krieg um Danzig zu einem weltweit ausgetragenen Krieg, der dann durch den Kriegseintritt der USA wegen seiner Interessen am Pazifik zum globalen Krieg ausuferte.

Arnold Tölg, Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Baden-Württemberg, war ebenfalls vorgeschlagen – und gewählt worden. Im Interview mit der Jungen Freiheit, einer Wochenzeitung, die als Scharnier zwischen dem rechtskonservativen und dem rechtsextremen Spektrum gilt, macht dieser keinen Hehl aus seiner Ablehnung für Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter. Und man darf schon fragen, ob dieser Mensch einen Versöhnungsgedanken in sich trägt:

„Genau das ist eben die deutsche und internationale Heuchelei. Wenn man über Zwangsarbeiterentschädigung spricht, müßte man auch deutlich machen, daß gerade die Länder, die am massivsten Forderungen gegen uns richten, genügend Dreck am Stecken haben, weil Sie Hunderttausende deutscher Zwangsarbeiter in zahllosen Lager hatten.“

„Ich sehe eben in dieser Behandlung einen riesen Fehler. Wir lassen uns immer das Handeln von den ausländischen Medien mehr oder weniger vorschreiben, die die Kampagnen lostreten. Es wird niemals dagegen gehalten und deutlich gemacht, wie viele Deutsche Zwangsarbeit geleistet haben, welche gigantischen Wiedergutmachungs-Zahlungen geleistet wurden,…“

„Während in Nürnberg von den Siegern die deutschen Kriegsverbrecher zurecht verurteilt wurden, haben die gleichen Länder bezüglich Zwangsarbeitern ähnliche Verbrechen begangen wie Hitler-Deutschland.“

Hier finden Sie meine Rede zum Nachlesen (pdf). Außerdem haben Zum Nein der Grünen im Bundestag Renate Künast, Jürgen Trittin, Katrin Göring-Eckardt, Claudia Roth und ich folgende Erklärung abgegeben (hier als PDF): Weiterlesen

Die Sprache dieses Blogs ist Deutsch

Die Sprache dieses Blogs ist Deutsch

„Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“, das klingt schon holprig und ist schlechtes Deutsch. Was soll der Satz eigentlich bedeuten? Was will die CDU uns, dem deutschen Volk, damit sagen? Dass Sorbisch keine Sprache ist? Dass die Bundesrepublik Selbstgespräche nur auf Deutsch führt?

Dass Deutsch die Amts- und Gerichtssprache ist? Das steht aber schon im Bundesgesetzblatt. Dazu braucht es keine großartige Verfassungsreform.

Oder sollen in Zukunft noch weitere Selbstverständlichkeiten in die Verfassung? „Deutschland liegt in Europa“ wäre auch ein schöner Satz und er ist nicht ganz falsch.

Die ganze Debatte ist großer Quatsch. Als ob wir keine anderen Sorgen hätten. Deutschtümelnde Wahlkampffolklore für die geschundene CDU-Parteiseele.