Archiv für den Autor: Volker Beck

Thesen zum kirchlichen Arbeitsrecht

Vorschläge für Reformüberlegungen für die Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ beim Bundesvorstand Bündnis 90 / DIE GRÜNEN:

Thesen zum kirchlichen Arbeitsrecht

Persönliche Loyalitätspflichten, kirchlicher Tendenzschutz und der Dritte Weg stehen aus unterschiedlichen Gründen in der Kritik.

Das Grundgesetz schützt das kirchliche Selbstbestimmungsrechts auf Grundlage von Art. 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung, der gemäß Art. 140 in das Grundgesetz der  Bundesrepublik Deutschland inkorporiert ist:

„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

Die Reichweite dieses Selbstbestimmungsrecht gilt nicht unbeschränkt, sondern „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“ Die Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung sind mit Artikel 140 Grundgesetz Teil der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geworden. Sie sind aber im Lichte dieser Verfassung und ihrer Prinzipien, der Menschenwürde, den daraus resultierenden Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip, neu zu interpretieren. Aus konkurrierenden Verfassungsbestimmungen, u.a. dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), dem Recht auf Religionsfreiheit der kirchlich Beschäftigten (Art. 4 GG) oder dem Recht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit lassen sich verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch Schranken für den Begriff des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes herleiten.

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Gerechtigkeit für die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in Deutschland

Jahrzehntelang wurden in Deutschland schwule Männer menschenrechtswidrig staatlich verfolgt. Das ist ein monströser Schandfleck unseres Rechtsstaates. Erst 1994 ist die strafrechtliche Sonderbehandlung von Homosexualität in der Bundesrepublik endgültig beseitigt worden. Die Opfer der menschenrechtswidrigen Strafverfolgung nach § 175 StGB und anderer einschlägiger Bestimmungen gegen Homosexualität müssen endlich rehabilitiert und entschädigt werden. Weiterlesen

Wer lügt, der fliegt.

Unter der Überschrift „Zuwanderung: Keine Belege für Einfall ins Sozialsystem“ berichtet heute die Frankfurter Rundschau über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion, die Sie hier zum Download finden. Die Bundesregierung muss nun einräumen, dass es keine empirischen Hinweise auf die Relevanz eines Problems des Sozialmißbrauch oder von angeblicher „Armutszuwanderung“ gibt. Für das gesamte Jahr 2012 gibt es in der polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt 112 Fälle von Tatverdächtigen aus Rumänien (74) und Bulgarien (38), denen Sozialleistungsbetrug vorgeworfen wurde. Selten war die Kluft zwischen Stammtischparolen und Fakten größer. Wer so wider der Empirie Stimmung macht, schadet dem gesellschaftlichen Frieden und dem Ziel eines modernen und offenen Europas, für das auch Unions-Politiker einst kämpften. Die Kampagne der Union wirkt abschreckend auf Fachkräfte aus dem Ausland und schadet so auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

Interessant ist die Antwort auf Frage 2.:

2. Wie viele Fälle von „Sozialbetrug“ wurden bislang in Bezug auf diese Personengruppe festgestellt und welche Rückmeldungen aus den Kommunen gibt es seit Jahresbeginn hinsichtlich der Zuwanderung von rumänischen und bulgarischen Bürgerinnen und Bürgern?

Antwort der Bundesregierung:

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat mitgeteilt, dass sie im Jahr 2013 insgesamt im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch 55.431 Verdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft oder die Behörden der Zollverwaltung abgegeben hat. Über die Zahl der von den zugelassenen Trägern abgegebenen Verdachtsfälle liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Im gleichen Zeitraum hat die BA im Bereich der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch 32.929 Verdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft oder die Behörden der Zollverwaltung abgegeben. […] Für das Jahr 2012 sind in der PKS zum Betrug zum Nachteil von Sozialversicherungen und Sozialversicherungsträgern (Schlüsselnummer 517700) neun bulgarische und 14 rumänische Tatverdächtige sowie zum (sonstigen) Sozialleistungsbetrug (soweit nicht unter Schlüssel 5177 zu erfassen; Schlüsselnummer 517800) 29 bulgarische und 60 rumänische Tatverdächtige erfasst. Die Daten der PKS für das Jahr 2013 werden am 4. Juni 2014 bekannt gegeben. […]

Die CSU hat offenbar Angst vor der AfD und läuft ihr deshalb hinterher. Scheuer fordert nun offenbar Lucke heraus, wer im Europawahlkampf den faktenfreisten Rechtspopulismus präsentiert. Anders erklärt sich nicht, warum die CSU dieses Thema zum Wahlkampfthema machen möchte. So wird die AfD stark gemacht und sie könnte bundesweit vor der CSU liegen. Trotz ressortübergreifendem Suchen enthält auch der Staatssekretärsbericht der Bundesregierung keine empirischen Hinweise auf die Relevanz eines Problems des Sozialmißbrauch oder von angeblicher „Armutszuwanderung“.  Auf Anfrage konnte die CSU-Landesregierung in Bayern nur 12 Fälle von Sozialmissbrauch von Rumänen und keinen Fall von Bulgaren belegen.

Die Behauptung, es gebe den Osterhasen wirklich, wäre seriöser.

 

Die Gesellschaftspolitik der #GroKo trägt die Handschrift der CDU

Ob Staatsangehörigkeitsrecht, Lebenspartnerschaft oder EU-Freizügigkeit, die ressentimentgeladene, antimodernistische Haltung der Union bestimmt den Kurs. Kleinmütig versucht die SPD ihre Niederlagen als Erfolge zu verkaufen. Damit verliert sie Profil und Kraft für fortschrittliche gesellschaftliche Veränderungen zu streiten. Bei der Debatte um die Zuwanderung aus den neuen EU-Beitrittsstaaten hat sie sich gar für reaktionäre Angriffe auf die EU-Freizügigkeit einspannen lassen. So verkauft man seine Seele und verliert politische Gestaltungskraft.

Beim Staatsangehörigkeitsrecht kämpfte die SPD für die generelle Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit und die Abschaffung der Optionspflicht. Nach den Koalitionsverhandlungen verkündete sie: Die Optionspflicht wird abgeschafft. Übrig geblieben ist nach der Einigung in der Koalition ein Optionspflichtsverlängerungsgesetz, ein integrationsfeindliches Bürokratiemonster: Junge Deutsche aus Migrantenfamilien bleiben Deutsche auf Probe. Daran ändert auch nichts, dass der Justizminister der CDU die offensichtlichsten verfassungswidrigen Formulierungen aus dem Referentenentwurf abgehandelt hat. Die SPD-Generalsekretärin bejubelt das Ergebnis als „hervorragend“ und SPD-Bundestagsabgeordnete schwadronieren in sozialen Netzwerken, dies sei nun der Doppelpass.

… nicht von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken. (nach Erich Kästner)

Liebe Genossinnen und Genossen, man muss den Kakao nicht trinken, durch den man von Frau Merkel gezogen wird. Hört auf den Bürgerinnen und Bürgern ein X für ein U vorzumachen und Niederlagen in Siege umzudichten. Das schadet den gemeinsamen Anliegen und wird auch der SPD eher schaden als nützen! Weiterlesen

Sarrazin und die Meinungsfreiheit

Foto von txmx 2 (CC BY-NC-ND 2.0)

Foto von txmx 2 (CC BY-NC-ND 2.0)

Sarrazins Masche ist die ewig gleiche Leier des rechten politischen Randes: Die Rechtspopulisten spielen sich als Opfer auf und kommen sich besonders mutig in der Rolle des angeblichen Tabubrechers vor!  Deshalb kämpfen sie, selbsternannte Widerstandskämpfer, gegen einen angeblichen „Tugend- und MeinungsterrorWer Minderheiten diskriminiert, herabwürdigt oder ihnen gleiche Rechte und Würde abspricht und dafür Kritik und Gegendemonstrationen erntet, erlebt in den Augen dieser Rechten nicht etwa legitime Reaktionen aus einer demokratischen Zivilgesellschaft, sondern wird politisch verfolgt von den Meinungs- und Tugendterroristen der politischen Korrektheit.

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut – zu recht. Von der medialen Kritik gepuscht, kann jemand wie Sarrazin mit seinen kruden Thesen sogar zum Bestsellerautor avancieren. Das sich gerade ein Bestsellerautor wie Sarrazin über einen Mangel an Meinungsfreiheit beklagt und keinen Widerspruch darin sieht, dass er seine Bücher gern im Vorabdruck über SPIEGEL und BILD bewerben darf und im Anschluss durch die Talkshows der Nation tingelt, lässt sich zumindest mit sarrazinscher Rassenbiologie nicht erklären. Wie es Herr Sarrazin selbst mit der Meinungsfreiheit hält, hat er in Leipzig gezeigt, als er bei der Compact-Konferenz u.a. gemeinsam mit Personen wie der Duma-Abgeordneten Elena Misulina, der Autorin des Gesetzes der Russischen Föderation gegen Homo-„Propaganda“, auftrat. Ein Einsatz für die Meinungsfreiheit und gegen dieses Zensurgesetz ist von Sarrazin nicht überliefert. Weiterlesen

Debattenbeitrag: Freiheit zur und von Religion

Foto: "Skip The Budgie" (Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Foto: „Skip The Budgie“ (Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Volker Beck & Robert Zion

Femen auf dem Altar im Kölner Dom. Empörung über die Entlassung einer geschiedenen Erzieherin eines katholischen Kindergartens, Streit zwischen Papst und dem Satiremagazin Titanic vor Gericht, Lob und Tadel für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. Das wachsende Unverständnis zwischen Gläubigen und überzeugten Atheisten zeigt, wir brauchen angesichts gewachsener weltanschaulicher und religiöser Pluralität eine neue Verständigung über das gesellschaftliche Miteinander.

Nur wenige Themen bieten ein ähnlich explosives Konfliktpotential wie Debatten zwischen Anhängerinnen und Anhängern verschiedener religiöser und/oder säkularer Gruppen. Nicht nur in unserer Partei nehmen diese Konflikte beständig zu. Wir müssen deshalb Fragen klären: Welche Stellung haben Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in unserer Gesellschaft? Ist unser Religionsverfassungsrecht noch zeitgemäß? Wo gibt es Reformbedarf und wo muss die religiöse Freiheit vor Einschränkungsversuchen durch Andersdenkende verteidigt werden?

Kompromisse sind schwierig und selten für alle Seiten zufrieden stellend. Wichtiger als die Positionierung bei einzelnen Streitfragen ist die Entwicklung eines programmatischen Kompass für die Religionspolitik. Respekt, weltanschauliche Neutralität des Staates und die drei Dimensionen der Glaubensfreiheit scheinen uns geeignete Grundlagen um die grüne Religionspolitik gemeinsam auszurichten.

Grüne Politik ist immer auch eine Politik der Freiheit. Deshalb darf die Größe religiöser oder säkularer Institutionen und Bewegungen kein Argument für oder gegen die Formulierung von notwendiger Kritik sein, gerade wo gesellschaftliche Macht Freiheiten beschränkt. Insbesondere dann, wenn sich Religionsgemeinschaften als Arbeitgeberinnen einen Wirtschaftszweig aufbauen, die mancherorts hegemonial sind. Weiterlesen

Homo-Lobby, Vorrechte für sexuelle Minderheiten, neuer Totalitarismus

Es raunen die Gegner der LGBTI-Rechte auf einschlägigen Webseiten. Anlass ist die Entschließung des Europäischen Parlamentes „zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“, eher bekannt als Lunacek-Bericht.

Ob Bildungsplan oder Lunacek-Bericht – gegenwärtig wird beim Thema Bürgerrechte für LGBTI* gegen Selbstverständlichkeiten wie Gleichheit vor dem Gesetz, Ahndung von Hassdelikten und Förderung von Respekt im Zusammenhang mit minderheitenfeindlichen Suaden der Untergang des Abendlandes beschworen. Während Lesben, Schwule und Transgender für sich nur den gleichen rechtlichen Schutz wie andere Minderheiten reklamieren, versucht man einen ideologischen Popanz von Sonderrechten und Privilegien  aufzubauen. Dabei scheuen sie nicht vor Manipulationen zurück. Denn gegen einen Popanz lässt sich leichter für eine Ideologie der Ungleichheit  Kampagne machen. Auch das christliche Nachrichtenportal idea.de präsentierte auf seiner Webseite einen Artikel  unter dem Titel:

Vorrechte

Kolportiert wird in dem Bericht, das EP fordere „Sonderrechte“ für LGBTI*. Kronzeugin für die sachwidrige These ist Gabriele Kuby. Dazu schrieb idea u.a.:

Publizistin: Abschaffung moralischer Normen zerstört Glaube und Gesellschaft
Scharfe Kritik an dem Lunacek-Bericht übte auch die Publizistin Gabriele Kuby (Rimsting/Oberbayern), die dem Kuratorium des Forums Deutscher Katholiken angehört. Nach ihrer Ansicht zerstört die Abschaffung moralischer Normen der Sexualität Familie, Gesellschaft und den Glauben an Gott: „Dies führt in einen neuen Totalitarismus.“

Im Blick auf die Forderung des Lunacek-Berichts, sogenannte „Hassdelikte“ gegen sexuelle Minderheiten strafrechtlich zu verfolgen, fragt Kuby: „Warum nicht auch ‚Hassdelikte‘ gegen Christen, Muslime und andere,nämlich alle?“ Laut Kuby geht es bei dem Thema „nur noch um Macht“. Deshalb sei „massenhafte Gegenwehr“ nötig. Sie beginne bereits, sich in zahlreichen Ländern Europas zu regen. So hätten Eltern in Frankreich angefangen, die Schulen einmal im Monat zu bestreiken, um gegen eine „Gender-Indoktrinierung“ zu protestieren.“

nachzulesen hier.

Der Skandal – laut Kuby ist also, dass Hassdelikte gegen sexuelle Minderheiten strafrechtlich verfolgt werden sollen, Hassdelikte gegen Christen und Muslime dagegen nicht. Verbrechen wie an Klaus Peter Beer, der wegen seiner Homosexualität 1995 von einem Täter aus dem Umfeld der NSU in Amberg ermordet wurde (WAMS 9.2.2014), sind aus ihrer christlichen Überzeugung offensichtlich kein Anlass dazu, den Schutz vor Homosexuellenfeindlichkeit analog zu dem vor Rassismus auszugestalten. Gegen den „ungeheueren Machtanspruch“ meint sie zur „massenhaften Gegenwehr“ aufrufen zu müssen. Und idea leiht diesem Ressentiments auch die Überschrift.

Tatsächlich gibt es für dieses Ressentiment keinen Anlass: Im Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden folgende Hassdelikte unter Strafe gestellt. Der Rahmenbeschluss definiert Hassdelikte folgendermaßen:

„die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen“

Dieser Rahmenbeschluss wurde vom deutschen Gesetzgeber in § 130 StGB umgesetzt:

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Bei twitter habe ich Idea hierauf hingewiesen:

TwitterScreen

Nun stellt sich die Frage: Warum wurde die entsprechende Aussage von Frau Kuby (nur) entfernt? Sie hat sie ja tatsächlich geäußert. Warum sollen die Leser von idea nicht erfahren, dass es den entsprechenden Schutz für Christen, Muslime und Juden tatsächlich schon gibt und es also eben nicht um Sonderrechte, sondern nur um gleichen Schutz geht?

Weil dann die Propaganda gegen die  angeblichen Vorrechte für LGBTI* in sich zusammenfiele? Vielleicht sollte sich idea nicht nur die Kritik von Michael Diener, dem 1. Vorsitzenden der Evangelischen Allianz, an der „Sündenhierarchie“ mancher Evangelikalen zu Herzen nehmen, sondern auch darüber nachdenken, ob es nicht dem gesellschaftlichen Frieden dienen würde, wenn man dafür eintreten würde, dass jede und jeder vor Diskriminierung, Hetze und Gewalt aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität geschützt wird.

Warum sollte es nicht möglich sein, dass wir alle zusammen, Lesben, Schwule und Transgender gemeinsam mit Juden, Muslimen und Christen, einschließlich der Evangelikalen, gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Christenverfolgung bis zur Verfolgung von Lesben, Schwulen und Transgender, zu kämpfen?

I have a dream ….

Einwanderung: Die CSU führt diese Debatte frei von Fakten!

Der Beitrag von Volker Beck ist am 17. Januar 2014 in der Deutschen Handwerks Zeitung erschienen.

CONTRA: Die CSU führt diese Debatte leider frei von Fakten, dafür mit einem sehr lauten die-Ausländer-schaden-uns-Bauchgefühl. Verstehen kann man das nur vor dem Hintergrund, dass in Bayern Kommunalwahlen anstehen und die CSU bei der Europawahl auf AfD-Stimmen spekuliert. Dabei profitieren sowohl die Wirtschaft als auch Sozialkassen von der Zuwanderung. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung errechnete bei Einwanderern pro Kopf und Jahr Mehreinnahmen von deutlich über 2000 Euro. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung widerspricht der CSU. 2013 seien nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Bulgaren und Rumänen gewesen. Die Wirtschaft heißt Zuwanderer angesichts des Fachkräftemangels ebenfalls willkommen. Kritik kommt auch von der katholischen Kirche: Bei Radio Vatican warf der Jesuit Pater Hagenkord der CSU eine „Angstdebatte“ gegen „die Fakten, die das Arbeitsministerium vorlegt“ vor. Versagt haben dagegen die Bundeskanzlerin und die SPD. Mit dem Staatssekretärsausschuss haben sie dem rechtspopulistischen Sound der CSU einen Resonanzboden geliefert, statt die Debatte zu versachlichen. Es braucht keine neuen gesetzlichen Regelungen, sondern die Anwendung der Gesetze. Und es braucht Unterstützungsfonds für die Kommunen, die überdurchschnittlich gefordert sind. Das würde aber Geld kosten. Stimmung machen dagegen nicht.

Gleichstellung: Koalitionsvertrag ist rechtliche Nullnummer

Download: Koalitionsvertrag (3. Entwurf)

Download: Koalitionsvertrag (3. Entwurf)

 

Mir liegt nun die geeinigte Passage aus dem Koalitionsvertrag zu „Respekt vor sexueller Identität“ vor. Diese Einigung ist eine rechtliche Nullnummer. Die Öffnung der Ehe und das Adoptionsrecht ist rausgeflogen. Was die Union und SPD bei Sukzessivadoption regeln wollen, gilt auch, wenn sie es nicht regeln. Mit ein paar Cents für die Hirschfeld-Stiftung kann sich die SPD da nicht freikaufen. Wir wollen gleiche Rechte – ohne wenn und aber.

Ausschnitt aus Koalitionsvertrag:

Respekt vor sexueller Identität
Lebenspartnerschaften, Regenbogenfamilien

Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen. Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen. Die Arbeit der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ werden wir weiter fördern.

Wir verurteilen Homophobie und Transphobie und werden entschieden dagegen vorgehen. Wir werden den „Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ um das Thema Homo- und Transphobie erweitern.

Die durch die Änderung des Personenstandrechts für intersexuelle Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls ausbauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus nehmen

 

Aufruf zur Verantwortung: Jetzt – oder nie

VerantwortungBLZDer gemeinsame Appell ist am 8. November 2013 in der Berliner Zeitung erschienen

Vor 68 Jahren endete mit der Kapitulation Deutschlands der Zweite Weltkrieg und damit der nationalsozialistische Terror. Sechs Millionen Juden, über drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene, 500.000 Sinti und Roma, 200.000 Opfer der „Euthanasie“-Programme und der Zwangssterilisation, tausende Homosexuelle und Widerstandskämpfer fielen der erbarmungslosen Mordlust der Nazis zum Opfer. Doch bis heute kämpfen bestimmte Opfergruppen um ihre Ansprüche und die Anerkennung der Verbrechen, während Gedenkstätten um ihren Erhalt bangen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat lange genug auf Zeit gespielt. Wir appellieren deshalb an den 18. Deutschen Bundestag, unabhängig von Koalitionen und Parteibüchern, die letzte Chance zu nutzen. Wer vor 68 Jahren befreit wurde und noch am Leben ist, hat die Blütezeit seines Lebens hinter sich. Statt bewegender Reden fordern wir Taten. 2017 ist es zu spät.

Opfer anerkennen und entschädigen! Weiterlesen