Zu Tode gehasst – im Namen der Kunst?

Kunst ist eine Tochter der Freiheit –  sagte Friedrich Schiller. Die Kunst darf provozieren und muss Freiheiten haben, die über die Grenzen des guten Geschmacks und der akzeptierten Formen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung hinaus gehen. Was im Alltag obszön oder beleidigend ist, kann auf der Bühne zum Nachdenken anregen. Was aber, wenn sich der Hass der Kunst bemächtigt und in ihrem Namen zu Gewalt gegen Minderheiten aufruft?

Am kommenden Wochenende wird in Bayern ein solcher Hasssänger auftreten. „Sizzla“ ist Großmeister des Reggae-Dancehall und mit weit über 40 Alben einer der bekanntesten und auch materiell erfolgreichsten Sänger Jamaikas. Die wenigsten seiner Fans wissen jedoch von seiner dunklen Seite – zumindest in Deutschland, wo die wenigsten Patois wirklich verstehen. Denn Sizzla ruft in mehreren seiner Songs zu Gewalt und Mord gegen Schwule und Lesben auf: Da heißt es dann „Schwuchteln müssen sterben“ und ihnen werden im Namen des Untergangs Babylons Kopfschüsse angedroht. Dramatisch ist daran insbesondere, dass in Jamaica dann auch  tatsächlich Hetzjagden durch die Straßen von Kingston stattfinden. Von  metaphorisch zu verstehenden Texten kann offensichtlich nicht gesprochen werden.

Nur ein Besipiel: Am 24. Juni 2004 wurde in Kingston Brian Williamson ermordet – der bekannteste Aktivist für die Menschenrechte von Schwulen und Lesben in Jamaica. Vor seinem Haus versammelte sich eine große Menschenmenge, die begeistert ob der Nachricht in Jubelschreie ausbricht. Dann wird der bekannte Reggae-Song „Boom Boom Bye“ von Sizzlas Kollegen „Buju Banton“ angestimmt – ein Lied in dem Schwule getötet und verbrannt werden. So berichtet es Human Rights Watch aus Kingston. „Hated to death“ ist der Bericht über die wachsende Homophobie in Jamaica überschrieben – „zu Tode gehasst“.

So manch ein Kommentator findet das zwar schlimm, aber „verständlich“. So ist es nun mal in der Kultur der Karibik, wo sich Kolonialismus und falsch verstandenes Christentum zu einer besonders perversen Hassmelange verbindet. Doch Sizzla ist kein Unschuldslamm, der nur nachplappert, was andere ihm vorgeben. Ausgerechnet beim Besuch seines „Freundes“ Robert Mugabe in Zimbabwe –dem Land, in dem „korrigierende Vergewaltigung“ an Lesben Alltag ist – zeigt er sein wahres Gesicht: Er könne nicht aufhören, homophobe Lieder zu singen, denn „die Botschaft darin müsse gehört werden!“

Kann es uns egal sein, wenn so ein Mann am Wochenende vor 20.000 Menschen singt? Soll er im Namen der Kunst tanzen (und  Geld verdienen), während in Jamaica zu seiner Musik Schwule gejagt und Lesben vergewaltigt werden? Die Veranstalter des Chiemsee Reggae Summers jedenfalls haben Sizzla „bewusst“ eingeladen, um ein Statement für die Freiheit der Kunst zu geben. Das zumindest stand noch vor einigen Wochen auf der Webseite der Veranstalter. Rückfragen und Kritik perlte an ihnen ab. Meine Schreiben blieben gänzlich unbeantwortet – andere bekamen beschwichtigende Antworten: Klar, hier in Deutschland dürften keine volksverhetzenden Lieder gesungen werden, aber das seien Sizzlas Songs ja auch gar nicht. Man dürfe nicht alles wörtlich nehmen, so spreche man nun mal in den benachteiligten Schichten der Karibik.

Man darf solchen Hasssängern in Deutschland keine Bühne geben. In Europa wird das Geld verdient und im Rest der Welt die wahre Agenda verbreitet. Diese Arbeitsteilung darf nicht aufgehen! Am Samstag, um 12 Uhr, wird es eine Protest-Kundgebung geben, die Grünen vor Ort rufen zum Boykott des Festivals auf.

Ich selbst habe mich auch an die Sponsoren der Veranstaltung gewendet: Insbesondere der Bierbrauer Becks und die Internetplattform StudiVZ müssen sich fragen lassen, warum sie einen solchen Auftritt unterstützen. Von beiden habe ich nur ausweichende Stellungsnahmen erhalten. Wieder einmal ist es wichtiger, Geld zu verdienen als klare Kante gegen menschenverachtende Tiraden zu zeigen. Ich hoffe, dass die schwullesbische Community eine klare Antwort gibt: „So schmeckt mir mein Beck’s nicht mehr!“

5 Gedanken zu „Zu Tode gehasst – im Namen der Kunst?

  1. Britta Salzmann

    Ich wohne bei Bremen. Da ist es eigentlich „patriotische Pflicht“, sein Bier bei Becks zu kaufen. Damit ist für mich so lange Schluß, bis Becks mit diesem Sponsoring aufhört!

  2. Pingback: Sizzla-Konzert abgesagt | Radio Zeitung S.O.T.R

  3. LaFarce

    Zitat Busy Signal, Sizzla Ersatz auf dem Chiemsee Reggaefestival, „Lululu“:

    No batty boy nuh inna mi crew lu lu lu lu
    Big guns mi bust, not ah two, two lu lu lu lulu
    Man batty mek some boy ah fiddle iddle li
    Dem nah squeeze the gyal dem tittle ittle li
    nuh balls mi naw bowl nar dribble lilly lilly

  4. MaxPower

    well, Sizzla als Hasssaenger zu bezeichnen geht vollkommen an der Person Sizzla vorbei. Wie Herr Beck ja selber sagt, hat Sizzla mehr als 40 Alben und mehrere 100 Songs veroeffentlicht.
    In wie vielen Songs singt er denn gegen Homosexuelle??
    In den meissten seiner Lieder geht es um Liebe, Religion und den taeglichen Kampf ums Ueberleben.
    Das wurde natuerlich von Herrn Beck mit keinen einzigen Wort erwaehnt.
    Natuerlich ist Sizzla nicht frei von jeglicher Kritik, Lieder in denen Homosexuelle angegriffen werden sind mehr als grenzwertig aber leider teil der karibischen Kultur. Eine etwas differenzierte Sicht besonders auf diesen Saenger ist hier wirklich angebracht.

    Zu behaupten die wenigsten seiner Fans wissen wenig ueber Sizzla’s angebliche dunkle Seite ist wahrscheinlich unwahr. Gerade weil dieser Saenger nicht in irgendeine Schublade passt, hat er so viele Fans, er kuemmert sich halt nicht um political correctness sondern sagt in seinen Liedern ganz klar seine Meinung. Gerade deshalb mag ich seine Musik, auch wenn ich mit manchen seiner Texte nicht uebereinstimme und diesen wiedersprechen muss. Aber gerade vor dem kommerziellen Hintergrund den Musik muss man halt doch sagen, dass viele seine radikalen Texte metaphorisch zu verstehen sind.

    Ich erheben keinerlei Anspruch den Saenger Sizzla wirklich zu verstehen, aber ich wehre mich jetzt doch entschieden, dass hier von Herrn Beck immer wieder das Wort Hasssaenger gebraucht wird. Hoeren Sie sich seine Lieder an!!! Nicht nur die von den Homosexuellen kritisierten!!!
    Die Worte Hasssaenger oder Hassprediger dienen doch nur dazu, Menschen zu stigmatisieren!!

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